Die Plantage: Roman (German Edition)
Wunsch zu erfüllen. Er fuhr mit ihm in die Stadt, ließ ihn nach der neuesten Mode einkleiden und verwöhnte ihn auf jede erdenkliche Art. Soweit Quinn es beurteilen konnte, gab er für seinen Freund allein in den drei Tagen nach seiner Ankunft mehr Geld aus, als ihn der Halbjahresetat der Pferdezucht kostete. Aber das war noch Quinns geringste Sorge.
In dem ausgewogenen Gefüge täglicher Abläufe, das er für Reeds Gemütsruhe unerlässlich hielt, stellte Oliver Roscoe eine nicht berechenbare Größe dar. Die Anarchie, mit der er seine Bedürfnisse auslebte, störte die schöne Ordnung, die zu Reeds seelischem Gleichgewicht beitragen sollte. Roscoes Benehmen war in mancherlei Hinsicht eine Zumutung. Quinnwunderte sich, dass Reed seinem Herzensfreund jede Laune durchgehen ließ und ruhig zusah, wie er die Bewohner von Hollow Park schikanierte. Nur mit seinem Intrigieren gegen Quinn stieß Roscoe bei Reed auf Granit.
Roscoe passte es ganz und gar nicht, dass Reed seinen früheren Adjutanten Quinn nach Hollow Park geholt hatte. Quinns Ergebenheit und Rechtschaffenheit reizten ihn unablässig zu boshaftem Gespött. Schon bald bekam Quinn das unangenehme Gefühl, im Zielpunkt seiner verheerenden Energie zu stehen.
Jetzt, nach Roscoes unverschämt gut gezieltem Warnschuss, biss Quinn wütend die Zähne zusammen; er wollte ihm nicht die Genugtuung verschaffen, er habe sich ernstlich bedroht gefühlt. Kommentarlos wandte er sich ab und ging zu den Stallungen.
Auf dem halben Weg hatte Roscoe ihn eingeholt. »He Quinn, ich muss mit dir sprechen«, sagte er, unempfindlich für Quinns eisiges Schweigen. »Ich brauch ein anständiges Pferd. Algernon meinte, du könntest mir bei der Auswahl helfen. Du kennst dich mit den Gäulen wohl am besten aus.«
Quinn stöhnte innerlich auf. Um sich der Aufgabe schnell zu entledigen, sagte er: »Nehmen Sie ein Quarter Horse. Es sind ausdauernde, zuverlässige Pferde, die einen sicher nach Hause bringen. Falls es etwas Eleganteres sein soll: Wir hätten ein paar Hunter aus einer erstklassigen Zucht in Maryland.« Inzwischen hatten sie das Haupttor erreicht. Weil er Roscoe loswerden wollte, schlug Quinn ihm vor: »Sehen Sie sich in Ruhe um, Lieutenant. Wenn Sie ein Pferd gefunden haben, das Ihnen zusagt, lassen Sie es mich wissen. Sie finden mich drüben bei den Karossiers.«
Er ging, bei den Arbeitspferden nach dem Rechten zu sehen. Ein Kutschpferd lahmte. Er rieb die Sprunggelenke mit Blister ein. Als er fertig war, stand Roscoe am Boxengatter; er hatte ihm wohl schon eine Weile zugesehen. »Haben Sie sich ein Pferd ausgesucht?«, fragte Quinn und kam zu ihm heraus.
Roscoe nickte. »Da hinten, die vorletzte Box, ein junger Hengst, vielleicht fünf Jahre alt. Der würde mir gefallen.«
»Glaub ich Ihnen aufs Wort«, meinte Quinn und schloss das Boxengatter. »Aber den kann ich Ihnen nicht geben.«
»Warum nicht?«
»Er lässt sich nicht reiten.«
»Ich hab noch jedes Pferd geritten!«
»Den nicht, Mr. Roscoe, nicht Furious. Er ist ein Wildfang aus den westlichen Territorien, Mr. Reed möchte ihn für die neuen Galopprennen trainieren. Aber so lässt er sich nicht zähmen. Wir werden ihn im Winter legen.«
»Ihr wollt ihn kastrieren? Dann erschießt ihn lieber gleich!«
»Lieutenant, ich habe einen Stall zu betreuen, keinen Zirkus. Vergessen Sie Furious, er ist nicht zu gebrauchen. Suchen Sie sich ein anderes Pferd aus.«
Er brachte Blister und Bandagierzeug in die Sattelkammer. Als er zurückkam, war Roscoe verschwunden.
Am Nachmittag war Quinn im Magazin beschäftigt. Gegen fünf Uhr wollte er noch einmal nach dem lahmenden Zugtier sehen. Auf dem Weg zu den Stallungen kam er am Wagenschuppen vorbei, wo ein paar Stallburschen aufgeregt miteinander redeten. »Was gibt’s denn, Jungs?«
»Das müssen Sie sich ansehen, Mr. Quinn! Wir haben alle auf Furious gesetzt!«
Quinn zog die Brauen zusammen. »Was ist mit Furious?«
»Der Freund von Mr. Reed will ihn reiten.«
»Zum Teufel mit Roscoe!«, fluchte Quinn. »Wo ist er?«
»Im Korral.«
Von den Jungen gefolgt, durchquerte Quinn den Wagenschuppen und kam durch das rückwärtige Tor auf den Zureitplatz. In einem von mannshohen Holzgattern umgrenzten Korral stand, fertig gesattelt und gezäumt, der schwarze Hengst Furious. Das Pferd hatte die Ohren flach an den Kopf gelegtund beobachtete Roscoe, der sich die Stiefelstulpen über die Knie zog und Sporen anlegte.
»Was soll das werden, Lieutenant?«, fragte Quinn. »Sie
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