Die Plantage: Roman (German Edition)
»Gut denn, setzen Sie sich. Also, Mr. Marshall, was führt Sie zu mir?«
William nahm ein Schreiben aus der Brusttasche, entfaltete es und reichte es dem Richter. Das Blatt trug den Briefkopf von Ashley & Bolton und war vor etwas mehr als einem halben Jahr ausgestellt worden. »Diese Vollmacht legitimiert mich als Verwalter der Liegenschaften von Legacy am Plains River. Als Vertreter der Eigentümerin Mrs. Lorimer beantrage ich eine Haftüberprüfung in der Strafsache gegen Mrs. Lorimers Angestellten Mr. Joshua Robert.«
Jones überflog die Vollmacht, dann sah er erstaunt auf. »Mrs. Lorimer wurde von mir bereits über die Gründe belehrt, die zur Verhaftung von Mr. Robert geführt haben. Ich wüsste nicht …«
»Bitte entschuldigen Sie, dass ich Sie bereits an dieser Stelle unterbreche, Sir. Ich möchte nicht über die Anschuldigungen sprechen, die gegen Mr. Robert vorgebracht worden sind. Ich möchte lediglich darlegen, dass Mrs. Lorimer auf Mr. Roberts Leistung derzeit nicht verzichten kann. Die Erntemonate erfordern eine genaue Überwachung der Abläufe auf den Pflanzungen. Ohne die Aufsicht durch Mr. Robert werden die Arbeiten nicht korrekt erledigt. Mrs. Lorimer ist überzeugt, dass der Vorwurf zu Unrecht gegen Mr. Robert erhoben wurde, und ist bereit, in Person für seinen Verbleib auf ihren Besitzungen zu bürgen.«
»Womit es in diesem Falle nicht getan wäre«, wandte Richter Jones ein, nur um den juristisch präzisen Ausführungen etwas entgegenzusetzen. Inzwischen wurde Jones’ Ton gegenüber seinem Besucher eine Spur respektvoller. »Wie Sie sicherlich wissen, Mr. Marshall, ist bei jeder Haftaussetzung bis zum Prozess eine Kaution zu hinterlegen. Nun ist das Risiko, dass der Beklagte flieht, in diesem Fall sehr hoch, und eine angemessene Summe …«
»Würden eintausend Pfund als Kaution genügen?«
Dem Richter verschlug es die Sprache. Kein noch so wohlhabender Pflanzer um Charles Town käme auf die Idee, mit einer solchen Summe für einen seiner Angestellten zu bürgen. War nicht Mrs. Lorimers Plantage so gut wie ruiniert? »Wenn ich richtig informiert bin, verfügt die Dame nicht annähernd über Mittel in dieser Höhe.«
»Sie bekommen das Geld von der Bank«, erwiderte William und legte dem Richter ein weiteres Papier vor, einen Bankcheque, ausgestellt von Ashley & Bolton, bezogen auf einen gewissen Rechtsanwalt Thomas Spencer in London. Fassungslos hielt Richter Jones den Cheque über eintausend Pfund Sterling in Händen. William, der für Joshuas Freilassung gerade über ein kleines Vermögen verfügt hatte, bemerkte vergleichsweise nüchtern: »Ich werde hier warten, bis Sie den Cheque geprüfthaben, falls Sie Zweifel hegen, ob auch eine ausreichende Deckung vorliegt.«
»Ich hatte nichts dergleichen erwogen, Sir«, verwahrte sich der Richter. »Sobald die Summe ausgezahlt ist und zur Sicherheit hier bei Gericht als geleistet gilt, wird Mr. Robert auf freien Fuß gesetzt. Allerdings unter der strengen Auflage, sich sofort auf die Plantage von Mrs. Lorimer zu begeben und das Anwesen bis zum Prozess nicht mehr zu verlassen.«
Der Gerichtsschreiber wurde hereingerufen, damit er an Ort und Stelle die Entlassungspapiere ausfertigte. Nachdem William den Einsatz der Kautionssumme unterzeichnet und Jones den Erhalt des Cheques bestätigt hatte, fragte er William: »Wieso hat Mrs. Lorimer überhaupt die Mühe auf sich genommen, selber bei mir vorzusprechen, anstatt sofort Sie als ihren Bevollmächtigten zu schicken, Mr. Marshall, der Sie die Sache gleich mit dem, sagen wir, nötigen Gewicht vorgetragen haben?«
»Mrs. Lorimer erlag wohl der irrigen Vorstellung, es genüge, mit der Wahrheit zu argumentieren«, erwiderte William kalt und stand auf. »Guten Tag, Euer Ehren.« Er deutete eine Verneigung an und verließ das Büro, indes Baskins ihn eilfertig zum Ausgang begleitete.
Vom Gerichtshof zur Bank waren es nur wenige Schritte. William berichtete Tyler, dass er Joshuas Freilassung auf Kaution erwirkt habe. Er händigte ihm die Entlassungspapiere aus und bat ihn, nach Zahlung der Kautionssumme umgehend Joshuas Rückkehr nach Legacy in die Wege zu leiten. Dann verabredeten sie sich für den nächsten Tag zum Lunch, und William ließ sich eine Droschke rufen.
Er nannte dem Kutscher eine Hausnummer in der Jules Row. Vor dem Haus des Arztes bat er den Mann zu warten und stieg die Vordertreppe hinauf. » Branwell Ingham – Physician, M.D., F.R.S. « las er auf dem Messingschild. Auf sein
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