Die Plantage: Roman (German Edition)
dem Kerker rausholen, dann sollte der fatale Vorwurf wegen Landfriedensbruchs schleunigst aus der Welt geschafft werden. Und wir brauchen einen guten Anwalt für seine Frau.«
»Was Sie vorhaben, wird nicht leicht werden. Beiden Angeklagten legt man Angriffe gegen Weiße zur Last, in beiden Fällen wird die Höchststrafe verlangt.«
»Nun, natürlich wird es etwas kosten.«
»Es ist nicht nur eine Frage des Geldes.«
»Aber mit Geld kann man vieles erreichen. Werden Sie mich unterstützen?«
Tyler nickte, ohne zu zögern. »Sie können auf mich zählen.«
Als die beiden Männer sich an diesem Abend trennten, dachten sie an dieselbe Frau. William fuhr zu seinem Hotel an der Queen Street, nicht weit von der Promenade an der Battery. Es war schön, wieder hier zu sein, alles erinnerte ihn an Antonia und er wäre am liebsten sofort nach Legacy weitergefahren. Nach dem Gespräch mit Tyler wusste er, dass es besser war, es nicht getan zu haben.
Er warf sich vor, Hocksleys böswillige Energie unterschätzt zu haben; nun hatten die alten Querelen in seiner Abwesenheit neue Blüten getrieben. Er stimmte Tyler zu, es würde schwer werden, das Recht und die Gerechtigkeit gegen Vorurteile und Machtinteressen zu verteidigen, und doch … all das wog leicht, verglichen mit der einen Aufgabe, die vor ihm lag und die zu Ende zu bringen er hergekommen war. Erst danach könnte er zu Antonia zurückkehren.
Tyler fuhr nach Lyndon House, ging hinauf in Antonias Zimmer und weckte sie. Sie war noch schläfrig, doch so aufregend in ihrem Spitzenhemd, dass er sie begehrend an sich zog.
»Andy, Liebling! Ich dachte, du kommst so spät nicht mehr. Du hast mir geschrieben; was war denn?«
»Erzähl ich dir später. Oh Tonia, Liebste, lass mich zu dir!«
Er konnte ihr nicht sagen, dass Marshall zurückgekommen war und sofort wieder die Dinge in die Hand nahm, sich um sie, ihre Plantage, um Joshua und Rovena und ihrer aller Wohlergehen kümmerte, und natürlich auf diese unverschämt selbstherrliche Art! Nein, er sagte ihr nichts. Er nahm sie in die Arme und wusste, warum er heute Nacht zu ihr kommen musste. Er wollte sich nicht nur ihrer Liebe versichern. Er wollte sie besitzen in dem Gefühl, dass der Mann, der als Einziger das Recht beanspruchen konnte, sie für sich zu fordern – und es wahrscheinlich auch tun würde! – wieder hier in der Stadt war, aber dass er, Tyler, es war, der Antonia im Arm hielt. Er musste sie haben, jetzt, in dieser Nacht. Vielleicht war es ihre letzte Nacht.
Richter Jones wurde sehr verdrießlich, als ihm am Morgen beim Betreten des Gerichtsgebäudes sein Schreiber aufgeregt entgegeneilte. Jones hatte im Laufe dieses Tages etliche Vernehmungen zu leiten und war nicht in der Stimmung, sich vor Beginn der ersten Sitzung mit Misshelligkeiten zu befassen. Ohne den Schritt zu verlangsamen, ging er zu seinem Amtszimmer, während der Schreiber auf ihn einredete.
»Euer Ehren müssen entschuldigen, doch ich möchte darauf hinweisen, dass Sie Besuch haben.«
»Um diese Zeit habe ich keinen Besuch, Baskins.«
»Nun, Sir, es ist aber leider so! Ein Gentleman wartet in Ihrem Büro auf Sie.«
»Und wie ist er da hineingekommen?«
»Er ist hineingegangen.«
»Das ist nicht Ihr Ernst, Baskins!«
»Ich konnte ihn nicht daran hindern, Sir.«
Sie waren beim Zimmer des Richters angelangt. Jones rissdie Tür auf und warf sie hinter sich wieder zu, bevor Baskins hereinschlüpfen konnte. In der Stille des Zimmers seufzte er vernehmlich, dann nahm er den Talar aus dem Garderobenschrank. »Baskins ist ein Idiot!«, murmelte er entnervt.
»Seien Sie nicht zu streng, Richter, er hat sein Bestes versucht.«
Jones fuhr herum; er hatte den Urheber des Ärgers ganz vergessen. Beim Pult des Gerichtsschreibers stand ein schlanker Mann im schwarzen Gehrock, der sich auf einen Stock stützte. Seine ironische Bemerkung über den Schreiber minderte nicht die Autorität, die er ausstrahlte, sodass sich zu Jones’ Verärgerung eine gewisse Vorsicht gesellte. Mit mürrischer Miene warf er sich in seinen Schreibtischstuhl und fasste den ungebetenen Besucher streng ins Auge.
»Es müssen gewichtige Gründe sein, die Ihr forsches Vordringen in mein Büro rechtfertigen, Mister …?«
»Marshall, Sir. Colonel William Marshall. Ich komme in der Tat aus wichtigem Anlass zu Ihnen. Darf ich mich setzen?«
Er war an den Schreibtisch getreten. Wenn Jones nicht zu ihm aufblicken wollte, musste er ihm wohl oder übel einen Platz anbieten.
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