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Die Plantage: Roman (German Edition)

Die Plantage: Roman (German Edition)

Titel: Die Plantage: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Tarley
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machen. In dem Fall gibt es einen neuen Aspekt: Die reichen Pflanzer wollen die allgemeine Empörung über den Mord nutzen, um exemplarisch gegen den gefürchteten Voodoo-Kult vorzugehen. Sie werden die Schwarzen hängen, wenn der wahre Täter nicht überführt werden kann.«
    »Da sehen Sie es: Unschuldige werden verurteilt, weil einflussreiche Leute es wollen. Was wäre, wenn auch der Mann,den ich verfolge, über genügend Einfluss verfügt? Glauben Sie, dann würde ihm der Prozess gemacht?«
    Ingham schüttelte den Kopf, so kam er nicht weiter. War es nicht zum Verzweifeln. Nicht genug, dass Mrs. Lorimer und Mr. Quinn schwiegen, um Reed zu schützen: Auch Marshall beschritt ohne Rücksicht auf Recht und Gesetz den Weg der Selbstjustiz und verhinderte unter Umständen, dass die Wahrheit jemals ans Licht kam. Sollte es möglich sein, dass drei sonst verständige Menschen sich bei einer so wichtigen Entscheidung bedenkenlos über alle ethischen Erwägungen hinwegsetzten, indem sie ihren privaten Beweggründen folgten, sei es aus übersteigerter Loyalität oder einem alttestamentarischen Racheverlangen? Nun, offenbar war es möglich. Umso mehr war es an ihm, Branwell Ingham, die Sache der Vernunft zu verfechten, um eine gerichtliche Überprüfung der Mordfälle herbeizuführen.
    Es widerstrebte ihm, Vermutungen zu äußern, die er vielleicht nie beweisen konnte. Doch nun musste er von Dingen reden, von denen er lieber geschwiegen hätte, denn vielleicht war es seine letzte Chance, William von Reeds Verfolgung abzubringen. »Leider, Mr. Marshall, kann ich Ihre Zweifel nicht von der Hand weisen. Und genau wie Sie fürchte ich, dass es zu einer Verurteilung des Mannes, der Sie gefoltert und drei Menschen getötet hat, nicht kommen wird. Aber die Gründe dafür sind weder Macht noch Einfluss, noch ist es eine Frage der Hautfarbe.«
    »Anscheinend wissen Sie mehr als ich, Mr. Ingham?«
    »Mutmaßungen, Mr. Marshall, nicht mehr. Ich meine, was würde geschehen, wenn man des Mörders habhaft würde? Zunächst müsste man ihn unter Verschluss nehmen, weil die Menge ihn sonst höchstwahrscheinlich in Stücke risse. Während der Schutzhaft würde sein Fall untersucht; was immer man sich darunter vorzustellen hat. Zum Beispiel würde man ihn in Ketten legen und hungern lassen, mit Feuer und Zangen seineReflexe testen und noch viele andere fragwürdige Experimente an ihm vornehmen. Wenn man ihn lange genug befragt und beobachtet hätte, ohne dahintergekommen zu sein, wieso er diese bestialischen Dinge tut, würde man aus Ratlosigkeit oder Desinteresse von ihm ablassen, um ihn einem furchtbaren Strafgericht zu überantworten. Und wissen Sie, warum? Weil der Mann geistesgestört ist! Der Mörder von Elverking, Ihr Folterer, Mr. Marshall, ist ein Psychopath.« Er seufzte resigniert. »Darum dürfen wir ihn für seine Taten nicht verantwortlich machen, das sagt mir mein Gewissen. Aber das wird ihm nichts nutzen. Man wird ihn wie ein gefährliches Tier dafür leiden lassen, dass er so ist, wie er ist.«
    William schwieg. Inghams Behauptung, dass Reed irrsinnig sei, hatte in ihm Unbehagen geweckt, das sich nicht so leicht würde zerstreuen lassen. Er nahm seinen Stock und stand auf. »Ich danke Ihnen für Ihre Geduld, Doktor. Falls Ihnen etwas einfällt, das mir helfen könnte, nicht mehr ständig an die Verletzungen denken zu müssen, lassen Sie es mich bitte wissen.«
    »Ich werde über Ihren Fall nachdenken und mich bei Ihnen melden, wenn ich einen Behandlungsansatz finde.« Er begleitete William zur Tür. »Wie erreiche ich Sie?«
    »Schreiben Sie mir nach Serenity Heights.«
    »Serenity Heights am Santee, das Landgut des Abgeordneten Longuinius? Dort wohnen Sie?«
    »Es gehört mir.« Er verbeugte sich. »Leben Sie wohl, Doktor.«
    Anderntags war er mit Tyler im Warwick verabredet und wartete auf ihn an der Bar. Zur Mittagszeit herrschte reger Betrieb. Viele Männer kamen auf ein Glas Ale herein. Auch das Restaurant, das abgetrennt einen Teil des Gastraums einnahm, war schon gut besucht. William las auf einer Wandtafel die Speisekarte, als er durch den Spiegel über der Bar jemanden entdeckte, dessen Gesicht ihm unangenehm bekannt vorkam: Elijah Crossbow saß im Restaurant mit ein paar Leuten beimEssen. Als er aufstand und den Schankraum durch eine Seitentür verließ, folgte ihm William nach draußen.
    Ein Durchgang führte zum Abtritt im Hinterhof. William blieb in dem unbeleuchteten Gang stehen. Nicht lange, und Crossbow kam

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