Die Plantage: Roman (German Edition)
Ich musste ihm erst tagelang gut zureden, bevor ich ihn reiten konnte.«
Nachdem sie das Boxengatter verriegelt hatten, sagte William:»Wissen Sie, dass Mrs. Lorimer mir die Instandsetzung ihrer Plantage anvertrauen möchte?«
»Heute Mittag hat sie mir davon erzählt«, erwiderte Joshua. »Es hörte sich so an, als hätten Sie abgelehnt?«
»Sagen wir, ich denke noch darüber nach.«
»Tun Sie das!«, meinte Joshua knapp und wollte zum Tor gehen.
Doch William hielt ihn zurück. »Unter diesen Umständen, Mr. Robert, wird Mrs. Lorimer nichts dagegen haben, wenn ich mich etwas umsehe. Wollen Sie vorausgehen?«
Dank des Stockes konnte er mit Joshua einigermaßen Schritt halten, während sie durch die Stallungen gingen. Joshua erläuterte die Aufteilung des Gebäudes in Boxenbereich, Vorratsräume und Speicherflächen. William wollte wissen, wie viele Pferde zum Bestand gehörten und ob die requirierten Tiere bei der Armee anständig untergebracht wären. Joshua berichtete, dass er einige Monate als Stallbursche in Fort Wren geblieben sei, um die Pferde von Legacy selber betreuen zu können.
»Dann kennt man Sie im Fort wohl sehr gut?«, fragte William.
»Ich gehe in Fort Wren ein und aus, Sir.«
Am Ende der Stallgasse öffnete Joshua eine verriegelte Tür zu einem Raum, der unter dem Heuboden lag und durch eine Luke oben in der Wand belüftet wurde. Im Laternenlicht reihten sich ringsum hüfthohe Truhen aus rohem Holz. »Die Futterkammer«, sagte er. »Hier lagern wir Hafer, verschiedene Getreidemischungen, Kraftfutter. Im Augenblick sind die Vorratstruhen allerdings leer.«
William klopfte im Vorbeigehen mit dem Stock gegen die Truhen. Jedes Mal tönte es hohl. Bei der letzten Truhe, auf der sich leere Kleiesäcke stapelten, klang es aus dem Innern gedämpft zurück. Er blieb stehen.
»Was ist hier drin?«
»Nichts.« Joshua wandte sich wieder zum Gehen. »Vielleicht ein paar leere Säcke.«
William fuhr mit der Stockspitze am unteren Rand der Truhe entlang, dann hob er etwas vom Boden auf, ließ es in seine Rocktasche gleiten und folgte Joshua nach draußen. Als sie zum Kutscherhaus zurückkehrten, fanden sie auf der Treppe einen kleinen Brief, in dem stand, dass Antonia die beiden Männer zum Abendessen erwartete.
Im Speisezimmer brannten seit Langem wieder Kerzen und der Esstisch war mit weißem Damast und Tafelsilber gedeckt. An drei Plätzen standen Kristallgläser und Teller von feinem Porzellan, Teile eines kostbaren Meißener Services, das aus dem Weimarer Haushalt von Antonias Großeltern stammte und die Kriegszeiten, unter Lagen von Stroh im Zuber des Waschhauses versteckt, unbeschadet überdauert hatte. Im Gegensatz zum eleganten Dekor waren die Speisen schlicht. Antonia hatte alles, was gerade im Haus war, auf Platten angerichtet, Brot, eingelegtes Gemüse, gebratenes Fleisch und eine Fischpastete, die Mrs. Shaughnessey ihr geschickt hatte. Dazu öffnete sie eine Flasche Claret und stellte sie mit einer Wasserkaraffe auf den Tisch.
Es war ihr erstes gemeinsames Mahl, seit William nach Legacy gekommen war, und Antonia war etwas nervös. Gewöhnlich fiel es ihr nicht leicht, in Unterhaltungen mit William gelassen zu bleiben. Heute, so nahm sie sich vor, wollte sie sich nicht von seinen ironischen Kommentaren provozieren lassen. Sie saß am Kopf des Tisches und ließ Joshua rechts und William links von sich Platz nehmen. Joshua füllte die Gläser.
»Auf abwesende Freunde«, brachte Antonia den ersten Toast aus. Sie stießen an.
William erwiderte mit einem zweiten Toast: »Auf die charmante Gastgeberin!« Als sie gerade die Gläser erhoben, fügte er hinzu: »Und auf Legacy!« Dabei lächelte er und nickte ihr zu.
Auch wenn er es nicht aussprach, wusste sie, dass er seine Entscheidung getroffen hatte: Er würde Legacy für sie wieder aufbauen. Ja, sein leichtes Nicken gab ihr die Gewissheit, dass sie die Plantage behalten würde. »Auf Legacy!«, stimmte sie ein.
»Auf Legacy«, antwortete auch Joshua nach kurzem Zögern.
Beim Essen sprachen sie über den Baufortschritt in der Bibliothek. In der kommenden Woche sollten die tragenden Balken der neuen Deckenkonstruktion im Mauerwerk verankert werden.
»Wir dürfen keine Zeit verlieren«, sagte Antonia. »Joshua, du fährst gleich morgen mit Mr. Jordan nach Borroughton, um passende Wandanker beim Bauschlosser in Auftrag zu geben.«
»Madam«, sagte William ruhig, »die Instandsetzung Ihres Hauses hat natürlich absolute Priorität. Ich
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