Die Plantage: Roman (German Edition)
den Club.«
Henry winkte ab, die Vorstellung, mit seinem Schwager den Planters Club aufzusuchen, behagte ihm ganz und gar nicht.
»Danke, Hocksley, wie Sie sehen, bin ich nicht passend gekleidet. Ich möchte die Anwesenden nicht in Verlegenheit bringen durch den Anblick eines Mannes in schmutzigen Stiefeln.«
»Aber ich bitte Sie! Dann suchen wir uns eben eine zwanglosere Umgebung. Was halten Sie vom Southern Sun Inn, unten bei den Piers?«
Er wandte sich nach Osten, dem Viertel mit volkstümlichen Schänken am Hafen zu, und zog Henry ohne Umstände mit.
Nach allem, was vorgefallen war, gab es zwischen ihnen keinerlei Sympathien. Doch Henry betrachtete die Dinge leidenschaftslos. Er erwartete sich nichts von den Menschen, dafür war er zu klug, infolge seiner puritanischen Erziehung vielleicht auch zu selbstgerecht. In jungen Jahren hatte er sich hohe Ziele gesteckt, in den Bostoner Salons die Nähe zur amerikanischen Intelligenzija gesucht und später Philosophie und Ökonomie an der Harvard University studiert. Der Ruf an das neu gegründete College von Charles Town verschaffte ihm einen Lehrstuhl für Philosophie und befriedigte fürs Erste seinen intellektuellen Ehrgeiz. In den Kreisen der verwöhnten Jugend Carolinas fand der junge Gelehrte viele Bewunderer, darunter Antonia Bell, deren aufgeklärte Ansichten sie in Henrys Augen wohltuend von den wenig gebildeten Frauen ihres Standes unterschieden. Besonders beeindruckte ihn, dass sie, getreu ihrer liberalen Geisteshaltung, die Sklaven ihrer Plantage freigelassen hatte. Bald heiratete er sie, und als neuer Herr auf Legacy versuchte er sich erstmals als Pflanzer.
Die Gegebenheiten dort kamen seinen sozialromantischen Vorstellungen entgegen. Um das Land ohne Ausbeutung von Sklavenarbeit zu bewirtschaften, beschäftigte er freie Schwarze neben weißen Landarbeitern und zahlte allen den gleichen Lohn. So brachte er in kürzester Zeit die Großgrundbesitzer der Region gegen sich auf, deren riesige Monokulturen, so auch Hocksleys Prospero Hill, von Sklavenarbeit abhängig waren. Schon früher wurden auf einzelnen Plantagen Sklaven freigelassen. Das führte mitunter zu Unruhen bei den Unfreien der umliegenden Besitzungen. Einmal kam es sogar zu einerechten Revolte. Die Erinnerung an den Stono-Aufstand war allenthalben noch frisch.
Natürlich war Henry für die etablierten Grundherren kein Konkurrent. Doch weil sein Konzept das Gesellschaftssystem der Kolonie gefährdete, wollte man ihn loswerden. Der einfachste Weg war ein Boykott seiner Waren. Hocksley gelang es, den einflussreichen Planters Club und die örtlichen Handelsvereinigungen davon zu überzeugen, Lorimers Produkte vom Handel an den Warenbörsen auszuschließen, war es doch unter der Würde der Reis- und Baumwollkommissionäre, über Preise für Obst und Gemüse nachzudenken.
Hocksley hielt seinen Schwager für einen Narren, der eine schöne Plantage ruinierte, indem er teure Lohnarbeiter beschäftigte und für ein akademisches Experiment das Vermögen seiner Frau aufs Spiel setzte. In einem Punkt stimmte Henry ihm zu: Es war ihm nicht gelungen, seinen Platz im konservativen Gefüge der Südstaaten zu finden. Zu spät hatte er erkannt, wie wichtig Familientraditionen waren, um sich in der Pflanzergesellschaft zu behaupten. So sah er sich weniger als ein Opfer seiner wirtschaftlich überlegenen Umgebung denn seiner Selbstüberschätzung. Er hätte sich nie auf den Süden einlassen sollen.
Sie fanden einen Tisch in einer holzgetäfelten Fensternische des zu dieser Stunde gut besuchten Southern Sun Inn. Hocksley bestellte Wein und Brot, gebratene Krebse und Austern, Okra und Grits. Dann kam er ohne Umschweife zur Sache: »Ich weiß, dass Sie am Ende sind, Lorimer. Der Ausschluss aus dem Handelsverein hat Ihnen das Genick gebrochen, es ist absehbar, wann Legacy unter den Hammer kommt. Ich will jedoch keine solche Blamage in meinem nächsten Wirkungskreis. Deshalb mache ich Ihnen einen Vorschlag, den Sie nicht ablehnen können.«
Eine junge Mulattin brachte den Wein. Hocksley schenkteein und trank seinem Gast zu. Henry drehte schweigsam sein Glas in der Hand, den Blick auf die von anstößigen Schnitzereien bedeckte Tischplatte gesenkt. Er wusste, er müsste aufstehen und gehen, bevor Hocksley mit einem schäbigen Vorschlag seine Ehre beschmutzte. Es war die letzte Gelegenheit, seine Seele zu retten. Doch er ließ sie verstreichen, nahm einen tiefen Schluck aus seinem Glas und bedeutete Hocksley
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