Die Plastikfresser
einhundertfünfzig Grad Celsius ausgesetzt gewesen.« – er machte eine Pause und dachte angestrengt nach – »aber die Verdrahtung in dem Kasten zeigte keine Anzeichen von Isolation mehr!«
»Weggebrannt!«
»Nein, dafür war die Temperatur nicht hoch genug. Das in Frage kommende Plastikmaterial – dieses neue Aminostyrene – hat einen Schmelzpunkt von über dreihundertfünfzig Grad – höher als Teflon!«
Holland zog die Stirn in Falten: »Das ist ja höchst interessant! Können wir mal darüber reden?«
Myers hob sein Bier: »Jederzeit!«
4.
Wright zeigte sich wieder einmal von seiner pedantischsten Seite, dachte Gerrard. Er erinnerte an die Pedanterie, die die englischen Offiziere mit gestärkten Hemden in den Kriegsfilmen aus Hollywood an den Tag legten. Ein hervorragender Techniker, aber nicht mehr. Wright ging ihm auf die Nerven.
»Aller Wahrscheinlichkeit nach haben wir es hier mit der Einwirkung irgendeines Lösungsmittels zu tun. Hitze könnte niemals eine derartige Verformung hervorrufen; Hitze würde darüber hinaus eine Verkoksung oder zumindest eine leichte Karbonierung in den Randzonen verursachen. Sind Sie ganz sicher, daß auch wirklich niemand ein Lösungsmittel – Aceton oder etwas ähnliches – in der Nähe des Roboters verschüttet hat?« fragte Wright.
»Aspinall hat mir sein Wort darauf gegeben, daß das ausgeschlossen ist«, sagte Gerrard. »Er ist da sehr auf Draht. Niemand außer ihm durfte in die Nähe des Roboters.«
Wright lächelte ein dünnes, ungläubiges Lächeln. »Nun, vielleicht, aber dafür brauchten wir doch noch Beweise.«
Er packte das in Tücher gehüllte Räderwerk wieder zusammen, legte es in einen kleinen Metallbehälter, zog ein Etikett hervor und begann zu schreiben.
»Was machen wir nun damit?« fragte Gerrard.
»Ein paar Tests«, sagte Wright. »Aber nicht sofort. Wir müssen erst mit unserem Projekt weiterkommen. Später können wir dann das Ding einmal auf Festigkeit, Durchlässigkeit und so weiter prüfen.«
* * *
Am nächsten Morgen strahlte die Sonne durch die hohen Bogenfenster des Schullaboratoriums, und das war buchstäblich der einzige Lichtblick, wenn man in diesem viktorianischen Tollhaus arbeiten mußte, dachte Gerrard. Die bunten Glasscheiben im oberen Teil der Fenster warfen wirbelnde Muster in Rubinrot, Blau und Gelb auf Wrights Schreibtisch.
»Angenommen, es stellt sich heraus, daß es keine Einwirkung von außen war?« fragte Gerrard.
»Wie das?« sagte Wright.
»Ich bin kein Chemiker, aber kann es sich nicht um einen Fehler im Plastikmaterial handeln? Eine veränderliche Molekularstruktur – so daß sie empfänglich ist für – nun, ich weiß nicht – aber sagen wir mal für den Stickstoff oder den Sauerstoff in der Luft?«
Wright sah ihn prüfend über seine Brillengläser hinweg an. »Der Neoplas-Konzern geht bei seinen Entwicklungstests überaus sorgfältig vor. Neoplas arbeitet mit einer Lizenz von uns, wie Sie wissen, und ich sorge persönlich dafür, daß jedes Produkt mit absoluter Sicherheit einer vollständigen Spezifikationsprüfung unterworfen wird. Unabhängig davon lassen wir von einer anderen Firma Prüfungen durchführen. Auch deren Daten sind absolut zuverlässig. Es gibt keinen Grund für sie, die Prüfungen nicht sorgfältig durchzuführen; wir würden ihnen sonst den Auftrag entziehen.«
»Das sollte keine Beschuldigung sein«, sagte Gerrard.
»Nun, ich bin überzeugt, meine Antwort macht Ihre Befürchtungen gegenstandslos, Mr. Gerrard«, sagte Wright. Er nahm die Proben und trug sie zu einem großen Kühlschrank, öffnete ihn, und legte sie sorgfältig auf ein Regal unter dem Tiefkühlfach. Er warf einen Blick auf Gerrard und schloß mit einem Knall die Tür. »Das hat Zeit bis später«, sagte er.
»Ich habe immer gedacht, Amtsschimmel und Bürokratie wären in diesem Land ein Monopol der Regierungsbehörden«, sagte Gerrard.
»Aber keinesfalls, mein lieber Freund«, sagte Wright. »Man findet sie überall. Aber es gibt noch ein anderes Wort, das Sie sich merken sollten – Prioritäten.« Er lächelte und verließ das Labor.
Gerrard setzte sich an seinen Schreibtisch. Hatte es Sinn, mit Kramer zu sprechen? Er war überzeugt, daß irgendein anderer Faktor dieses Schmelzen des Plastikmaterials bewirkte. Was wäre, wenn Plastikisolierung anfinge zu schmelzen … Augenblick mal! … Isolierungen anfingen zu schmelzen? – Das schlug irgendwo in ihm einen Akkord an. Hatte er nicht
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