Die Plastikfresser
Ihr Problem zu lösen«, sagte Anne kühl. Sie stellte die Linse für Nahaufnahmen ein und fotografierte das Kabel an einer Stelle, wo die Isolation schon so weit in Mitleidenschaft gezogen war, daß der nackte Kupferkern zum Vorschein kam. »Wir brauchen die Bilder, um die Herkunft der Proben lokalisieren zu können.«
»Wie lange wollen Sie hier unten bleiben?« fragte der Bahnhofsvorsteher und blickte auf Gerrard.
»Ich bin fertig.«
Der Bahnhofsvorsteher nickte Holden zu. »Nun, Sir, wenn Sie nichts dagegen haben, dann sollten wir wohl jetzt wieder gehen.«
»Haben Sie alles gesehen, was sie sehen wollten?« wandte sich Holden an Slayter.
»Ja, vielen Dank.«
»Gut. Dann machen wir uns auf den Rückweg.«
Der Bahnhofsvorsteher, der immer unruhiger geworden war, richtete den Strahl seiner Lampe in den Tunnel und ging voraus. Die anderen folgten im Gänsemarsch. Plötzlich schien der Tunnel heftig auf und ab zu schaukeln. Der Beton des Gleisbetts schlug ihnen von unten gegen die Füße und warf sie über die Schienen. Ein ständig anwachsendes Donnern wurde hörbar, dann erfolgte eine Serie schwerer Explosionen. Nach jedem Knall schwankten die Wände des Tunnels. Betonbrocken fielen herab, und Metallverstrebungen verzerrten sich; ganze Stücke brachen aus der Decke heraus, und die präzis gerundeten Rippen des Tunnels gaben nach und hingen durch, als wären sie aus Gummi.
Als sich die fünf, hustend von dem aufgewirbelten Staub, wieder aufrappelten, hörten sie eine Reihe von weiteren Explosionen in der Ferne, dann herrschte Stille bis auf das Rasseln kleiner Gesteinsbrocken, die aus der Tunneldecke herunterrieselten.
»Mein Gott, was ist denn da passiert?« fragte Slayter. Noch während er sprach, erfolgte eine weitere Explosion, diesmal weniger weit weg. Die Tunnelwände erbebten abermals, und unter ihren Füßen spürten sie ein anhaltendes, stampfendes Beben. »Schnell«, sagte Holden. »Zurück zum Bahnsteig! Kommen Sie schnell!« Er eilte zum Bahnhof zurück. Sie folgten ihm, aber die Lichter im Tunnel flackerten und verlöschten.
Im Bahnhof, wo sich automatisch die trüben, flackernden Notlichter eingeschaltet hatten, stand noch immer ein Zug. Laute Rufe und ängstliche Schreie waren zu hören.
Als sie den Bahnhof erreichten, hörten sie das Zischen von Preßluftventilen: Der Schaffner hatte die Türen geöffnet. Auf dem Bahnsteig drängten sich die verängstigten Passagiere. Wieder hörte man in der Ferne zwei Explosionen, wieder schwankte der Tunnel.
Eine Frau schrie. Die Fahrgäste drängten sich durch die Ausgangstunnel, die zu den Rolltreppen führten.
»Wir müssen durch den Zug«, sagte Holden. Er sprang auf die Trittstufe des Triebwagens und riß die Tür zur Fahrerkabine auf. In diesem Augenblick erfolgte ein grollender Donnerschlag, ganz in der Nähe, gefolgt von einem gewaltigen Windstoß, der den ganzen Zug erschütterte.
Die schlecht beleuchtete U-Bahn-Station wurde plötzlich in gleißendes Licht getaucht. Eine kochende, feurige Masse wälzte sich in den Bahnhof und flutete gegen das Ende des Zugs.
Holden riß die gegenüberliegende Wagentür auf und stolperte auf den Bahnsteig hinaus, gefolgt von Slayter und Gerrard.
Panik breitete sich aus. Die Fahrgäste versuchten verzweifelt, den Bahnhof zu verlassen, stießen einander über den Haufen, auf der Flucht vor dem sprühenden Flammenmeer, das sich aus dem Tunnel am anderen Ende des Bahnhofs hereinwälzte. Kinder und ältere Leute wurden zu Boden gerissen und zertrampelt. .
Eine Frau erstarrte vor Entsetzen, als ihr Mantel Feuer fing und die Flammen ihren Körper umzüngelten.
Ein älterer Mann, der einen Polyäthylenbehälter voll Paraffin in der Hand trug, explodierte plötzlich in einer Feuerkugel, als der Inhalt sich entzündete.
Ein gutgekleideter Herr bahnte sich mit Hieben und Tritten rücksichtslos eine Gasse durch die Menge, alle Zurückhaltung war vergessen; sein Anzug, Schurwolle mit Polyester, schwelte bereits auf dem Rücken.
Die trockenen Holzchassis der alten Untergrundwagen brannten wie Zunder, die Glasfenster zersplitterten in der Hochofenhitze. Brennende Menschen liefen wie lebende Fackeln hin und her, brachen auf dem Bahnsteig zusammen, wanden sich wie benzinüberschüttete Ameisen und erstarrten dann in seltsamer Haltung wie verkohlte Puppen.
Anne stürzte durch die Tür des Triebwagens und stolperte in eine Gruppe von drei Leuten, die sich gegen die Außenseite des Wagens kauerten. Am Ende des Bahnsteigs
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