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Die Plastikfresser

Die Plastikfresser

Titel: Die Plastikfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kit Pedler und Gerry Davis
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sichtlich erschöpft zurücklehnte.
    »Hier«, sagte Slayter zu Gerrard. »Sehen Sie sich den Mann einmal an.« Gerrard ging zum Bahnhofsvorsteher, der langsam an der Wand herunterrutschte. Er rang nach Luft, sein Gesicht war scharlachrot, sein Atem ging rasselnd, die Augen hatte er halb geschlossen. Gerrard lockerte ihm den Schlips und hob den schweren Kopf des Mannes. Slayter drehte sich um, um Holden zu folgen.
    »He!« sagte Purvis, »nehmen Sie das nicht mit?« Er deutete auf die Stablampe. »Wir haben nur eine!«
    Slayter blickte einen Augenblick lang auf die Stablampe und zuckte dann die Achseln. »Wahrscheinlich haben Sie recht.« Er übergab ihm die Lampe, drehte sich um und tastete sich hinter Holden die Tunnelwand entlang.
     

8.
     
    Das Gebiet um den Londoner Bahnhof von King’s Cross ist einer der unübersichtlichsten Verkehrsknotenpunkte der Welt.
    Auf der Oberfläche befindet sich ein ausgedehnter Komplex von ineinandergreifenden Straßen, die mit nie endenden Verkehrsströmen beschickt werden. Lastwagen dröhnen den York Way herauf zur Great North Road, Massen von Personen- und Lieferwagen ergießen sich Stoßstange an Stoßstange über die Euston Road nach Osten in die Stadt hinein – und an diesem Kreuzungspunkt findet eine beinahe unfaßbare Vermischung der Verkehrsströme statt. Unmittelbar neben dem Bahnhof laufen sechs wichtige Straßensysteme zusammen, die durch den Verkehr, der zu einem zweiten Bahnhof, St. Pancras, unmittelbar westlich von King’s Cross gelegen, führt, noch mehr verwirrt werden.
    Der Lärm und der umweltverschmutzende Gestank der Vergasermotoren findet bis spät in die Nacht hinein kein Ende. Ein Fußgänger, der so unklug ist und sich in diesen lärmenden Mahlstrom hineinwagt, muß ständig den heranrollenden Giganten ausweichen und so schnell wie möglich in die Untergrundbahnhöfe tauchen oder hinauf auf die Bahnsteige der Eisenbahnhöfe fluchten. Das ist der einzige Fluchtweg aus einem Gebiet, in dem schon seit langem die Koexistenz zwischen Mensch und Maschine unmöglich geworden ist.
    Unterhalb dieser überfüllten Bahnsteige und vibrierenden Fahrbahnen befindet sich ein weiterer Komplex, der aus Tunneln, Durchgängen, Rolltreppen, Aufzügen und Gleisen besteht: der Untergrundbahnhof von King’s Cross.
    Wer durch dieses strahlend hell erleuchtete Gewebe von Tunnels fährt, vermag sich kaum vorzustellen, daß er sich in einem ineinander verwobenen System von Röhren bewegt: Wasser- und Gasrohre und riesige gewölbte Abwasserkanäle. Wer hier entlangfährt – mit abgeschalteten Sinnen, um sich nicht von der unerträglichen Dichte der Menschen vor, über, unter, hinter und neben ihm erdrücken zu lassen –, denkt wohl kaum je ernsthaft darüber nach, daß sich über ihm brausender Verkehr bewegt und sich rund um ihn eine komplizierte Masse von Leitungen und Röhren durch die Erde windet.
    Man ist schon ausreichend damit beschäftigt, dem wachsenden Gefühl der Platzangst zu widerstehen, ohne sich auch noch des unsichtbaren Drucks oberhalb und unterhalb der dichten Reihen der dahinfließenden Menschen bewußt zu werden, die sich, wie Blutkörperchen in einer Vene, auf ihren Bestimmungsort zubewegen. Im Verlauf eines Tages gibt es vielleicht zwei Stunden, in denen sich hier über und unter der Erde ein relativer Friede ausbreitet. Zwischen ein Uhr dreißig und drei Uhr dreißig nachts versickert der Oberflächenverkehr, und die nassen, leeren Straßen glänzen schwarz im harten Licht der Sodiumlampen.
    Unten in den Tunneln ist um diese Zeit eine kleine Armee von Reinigungspersonal, Straßenkehrern und Mechanikern beschäftigt, sich mit System und Methode durch das komplizierte System zu bewegen, um die glänzenden Schienen von öligem Staub zu säubern und die Menge der Kommunikations- und Stromleitungen, die an dem Rippengerüst der schwarzen Wände haften, zu inspizieren.
    Auch wenn sich die Verkehrsteilnehmer auf der Oberfläche und in den Tunnels niemals von Angesicht zu Angesicht sehen, so gibt es doch einige Orte, wo sich nur fünfundsiebzig Zentimeter Erde zwischen ihnen befindet – eine dünne Asphaltmembran, die eine völlige Durchdringung verhindert.
    Insgesamt befinden sich in und um King’s Cross fünf Ebenen von Bahngleisen. Zuoberst die Gleisstrecken der Britischen Eisenbahn, dann, gleich unter der ohnehin schon überfüllten Oberfläche, die ›Inner-Circle-Line‹ der Londoner U-Bahn. Dann die neugebaute ›Victoria-Line‹, ebenfalls eine U-Bahn,

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