Die Plastikfresser
ganzen Gewicht gegen das Eisen, das Schloß gab wieder ein bißchen nach. Die beiden Männer stemmten und wuchteten mit aller Kraft ihr Gewicht gegen das Brecheisen. Es half nichts. Erschöpft und entmutigt ließen sie sich gegen die Wand sinken.
Anne zeigte auf die Bänke; sie waren aus schwerem Holz gezimmert. »Können wir nicht eine Bank als Ramme benutzen?«
Gerrard schüttelte müde den Kopf. In der verdorbenen Luft wurde das Atmen immer schwerer. Die Hemden waren zum Auswinden naß von Schweiß. Annes Bluse klebte an ihren Brüsten.
»Aber wir könnten doch vielleicht die Bank gegen das Brecheisen rammen«, sagte Anne.
Gerrard blickte Slayter an. Slayter hob müde die Schultern. »Warum nicht«, sagte er.
»Also gut«, keuchte Gerrard. Sie hoben die schwere Bank auf und schwankten unter ihrem Gewicht.
»Wenn wir von hier aus Anlauf nehmen und das äußere Ende des Brecheisens treffen, klappt es vielleicht«, sagte Gerrard. Sie nahmen Anlauf und rannten unbeholfen auf die Tür zu. Aber das Brecheisen stand im Winkel nach unten. Sie verfehlten es, stolperten vornüber und prallten gegen die Tür, die Bank fiel ihnen aus den Händen, streifte Slayters Bein. Er schrie auf vor Schmerz.
»Noch einen Versuch«, sagte Gerrard. »Ich übernehme die Spitze.«
Er hob das auf die Tür gerichtete Ende der Bank hoch; Slayter, der nun humpelte, packte das hintere Ende, Anne faßte in der Mitte zu. Diesmal nahmen sie einen kürzeren Anlauf. Gerrard, dem vor Anstrengung fast die Lungen zu bersten drohten, visierte das Ziel an. »Achtung«, keuchte er. »Fertig. Los!«
Sie rannten los und versuchten dabei, die Bank im richtigen Winkel zum Tunnel zu halten. Diesmal trafen sie das Brecheisen genau an der richtigen Stelle. Einen Augenblick lang schien es aus der Tür springen zu wollen, dann schwang es zurück gegen die Tunnelwand. Beim Aufprall hörte man ein lautes Krachen. Als sie zurücktaumelten, sahen sie, daß die Tür sich um das Schloß herum verbogen hatte, ein Nietensaum klaffte auf. Die Öffnung war gerade groß genug, daß man eine Hand durchstrecken konnte.
Gerrard griff durch die Lücke und tastete nach dem langen Sicherheitshebel. Langsam, den Körper fest gegen die Tunnelwand gepreßt und unter Einsatz seiner letzten Kräfte, gelang es ihm, den Hebel zu verschieben.
Sie waren viel zu erschöpft, um ihrer Erleichterung noch Ausdruck geben zu können. Eine Welle kühler Luft strömte durch die Öffnung, und dankbar knöpften sie sich ihre Hemden auf, um sich zu erfrischen. Vor ihnen erstreckte sich ein kurzer düsterer Tunnel, am anderen Ende war eine Treppe, die – irgendwohin führte.
Am Fuß der Treppe leuchtete Gerrard nach oben. Der Lichtschein fiel auf eine Tür, die genauso sicher verriegelt war wie die, die sie eben erst aufgebrochen hatten.
»O nein!« flehte Anne. »Lieber Gott, bitte laß die Tür nicht verschlossen sein!«
Gerrard flog die Stufen hinauf, ohne auf seine schmerzenden Muskeln zu achten. Er griff nach der Klinke und drückte gegen den Stahl. Verschlossen! Slayter kam heraufgehumpelt.
»Es muß einen Weg nach draußen geben!« Gerrard warf sich gegen die Tür.
»Hier nicht«, sagte Slayter und schüttelte entkräftet den Kopf.
»Der Schneidbrenner?«
»Nichts mehr drin.«
»Gibt es noch eine Flasche?«
»Es gibt keine mehr. Ich habe schon nachgesehen.« Müde wandte sich Slayter ab und schlurfte mit hängenden Schultern durch den Tunnel davon.
Gerrard ließ sich auf den Boden sinken und starrte die Tür an, die so grausam ihre Hoffnung auf Flucht zerstört hatte. Es war unglaublich. Da saßen sie nun mitten im Herzen einer großen Stadt und waren in einer unterirdischen Höhle gefangen.
Bis jetzt gab es noch Licht, Wasser, sogar etwas zum Essen, aber wie lange würden sie hier unten ausharren müssen? Und was geschah inzwischen an der Oberfläche?
Einen Augenblick lang stellte Gerrard sich das London vor, das er in alten Wochenschauen nach den V-2-Angriffen gesehen hatte: leere Häuserhöhlen, von Explosionen und Feuer geschwärzt, abgesperrte Straßen, die vom Wasser aus geplatzten Rohren überschwemmt waren, brennendes Gas, das in den Ruinen flackerte.
Er zwang die Schreckensbilder aus seinen Gedanken; plötzlich spürte er eine sanfte Berührung an seiner Schulter.
»Wachen Sie auf, Luke! Wachen Sie auf!« Anne beugte sich über ihn, es war ihre Hand auf seiner Schulter.
»Wo ist Slayter?«
»Er liegt auf einer Bank und schläft. Kommen Sie zurück!«
»Nein«,
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