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Die Poison Diaries

Die Poison Diaries

Titel: Die Poison Diaries Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maryrose Wood
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allen Richtungen vom Kopf ab, als ob er Stunden damit verbracht hätte, sie sich zu raufen, während er tief in Gedanken versunken war. »Ich erwarte niemanden. Und ich wünsche nicht gestört zu werden. Wer immer es auch sein mag, schicke ihn weg.«
    »Aber wenn es der Herzog ist!«
    Er lauscht. Die Hufschläge sind nachdrücklich, ein harter Galopp, der geradewegs auf uns zu kommt.
    Sein Gesicht nimmt einen grimmigen Ausdruck an. »Wer immer da kommt, reitet allein, und noch dazu in einem halsbrecherischem Tempo. Es ist nicht der Herzog, aber womöglich ein Räuber. Bleib von der Tür weg, Jessamine.«
    Vater holt sein Gewehr aus der Holzkiste, die neben dem Eingang auf dem Boden steht, und entriegelt die schwere Bogentür.
    Er tritt hinaus auf den Hof. Ich fürchte mich, aber meine Neugier ist größer als meine Angst, und so folge ich ihm. Wir kommen gerade recht, um unseren Besucher heranreiten und direkt vor unserer Tür sein Pferd zügeln zu sehen, wobei er eine Menge Staub aufwirbelt, der uns in der Kehle reibt.
    Von hinten schiebe ich mich näher an Vater heran, damit ich unseren unerwarteten Gast besser sehen kann. Es ist ein langgliedriger, pockennarbiger Mann. Hinter ihm liegt quer über dem Pferderücken ein großes, formloses Bündel, das in eine fadenscheinige Decke eingeschlagen und mit kräftigen Seilen umwickelt ist.
    Der Mann lässt sich aus dem Sattel gleiten und landet schwer auf dem Boden. »Thomas Luxton?«, fragt er bellend. »Der Apotheker?«
    »Der bin ich.« Hinter seinem Rücken packt mein Vater das Gewehr fester.
    »Ich möchte mit Ihnen sprechen, wenn es beliebt, Sir.«
    »Das tun Sie bereits,
Sir
.« Vater scheint zu doppelter Größe anzuwachsen, bis er den gesamten Türrahmen ausfüllt. »Was führt Sie hierher? Sie stürmen meinen Hof wie auf dem Kutschbock einer Feuerspritze, als würde mein Haus lichterloh brennen. Aber wie Sie sehen können« – Vater zeigt ihm wie zufällig seine Waffe – »brauchen wir Ihre Hilfe nicht.«
    Beim Anblick des Gewehrs tritt der Fremde zurück. Dann fällt sein Blick auf mich. Für einen Sekundenbruchteil treffen sich unsere Blicke. Meiner – das weiß ich gewiss – ist angsterfüllt.
    Der Mann seufzt und stapft sich den Schlamm von den Stiefeln. Dann zieht er seinen Dreispitz. Er trägt eine Perücke, wie es Mode ist, aber beim Abziehen des Hutes verrutscht sie, und plötzlich habe ich keine Angst mehr. Wer fürchtet sich schon vor einem Mann mit einer schiefsitzenden Perücke?
    »Vergeben Sie mir«, sagt er missmutig. »Es besteht kein Grund zur Sorge. Ich komme in guter Absicht. Mein Name ist Tobias Pratt. Es tut mir leid, Sie belästigen zu müssen, aber ich versichere Ihnen, dass ich keine Minute länger als nötig verweilen werde. Ich bitte Sie lediglich um ein paar Minuten Ihrer Zeit – unter vier Augen.«
    Bei den Worten
unter vier Augen
glaube ich natürlich, dass sein Anliegen nicht für meine Ohren bestimmt ist, denn außer Vater und mir ist hier ja niemand. Doch dann rührt sich das Bündel auf Pratts Pferd.
    »Wasser«, stöhnt es. Ob die Stimme jung oder alt ist, männlich oder weiblich, vermag ich nicht zu sagen.
    »Halte den Mund, Junge. Du hast heute schon mehr als genug Wasser bekommen.« Pratt wendet sich wieder Vater zu. »Was ich zu sagen habe, wird Sie interessieren, Luxton, bei meiner Seele. Wollen Sie mich anhören?«
    Vater sagt nichts, sondern starrt auf das erbarmungswürdige, in Lumpen gewickelte Geschöpf auf dem Pferd.
    »Wasser«, stöhnt es wieder, diesmal dumpf und traurig, als ob es nicht mehr an die Erfüllung seines Flehens glauben würde.
    Ich will der Kreatur etwas Wasser bringen. Was kann es schon schaden? Gerade, als ich Vater um Erlaubnis bitten will, wendet er sich an Pratt.
    »Also schön«, sagt er knapp. »Kommen Sie ins Haus und sagen Sie, was Sie zu sagen haben. Je eher Sie verschwinden, desto eher kann ich wieder an die Arbeit gehen.«
    »Vater, sollte ich nicht vielleicht etwas Wasser holen, für …?« Ich nicke in Richtung des Pferdes und seiner seltsamen Last.
    »Kümmern Sie sich vorläufig nicht um das Monstrum«, mischt sich Pratt ein. »Wenn Sie meine Geschichte gehört haben, können Sie mit ihm tun, was Sie wollen.«
    ***
    »Tobias Pratt – Ihr Name kommt mir bekannt vor. Obwohl ich nicht glaube, dass wir uns schon einmal begegnet sind.« Vater und unser Gast haben am Tisch Platz genommen. Ich habe Tee zubereitet. Still und flink richte ich ein paar Kekse auf einem Teller an und

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