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Die Poison Diaries

Die Poison Diaries

Titel: Die Poison Diaries Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maryrose Wood
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Vater diese absonderliche Geschichte aufnehmen? Eine Zeitlang sagt er gar nichts. Dann winkt er mich zu sich.
    »Ich denke, ich werde jetzt doch eine Tasse Tee trinken, Jessamine.«
    Ich springe auf und gieße ihm Tee ein. Vater rührt mit dem Löffel gedankenverloren in seiner Tasse herum, ehe er seinen Blick zu Pratt erhebt.
    »Wer ist dieser Junge? Woher kommt er?«
    Pratt schüttelt den Kopf. »Keiner weiß, wer seine Familie ist, und auch er behauptet, keine Ahnung zu haben. Wie ich schon sagte, lebte er bei einem Pfaffen, bevor ich ihn in meinem Haus aufnahm. Er nennt sich Weed – Unkraut. Das passt zu ihm, wenn Sie mich fragen.«
    »Und wo ist dieser Pfaffe jetzt?«
    Pratt wirft mir einen Blick zu und schaut dann zur Seite. »Tot. Er starb im Schlaf, ohne Vorwarnung oder Anzeichen einer Krankheit. Nur der Junge war Zeuge.«
    Vater steht auf. Ich sehe in seinem Gesicht, dass er von diesem Mann genug hat. »Das ist wahrhaftig eine merkwürdige Geschichte«, sagt er. »Aber vergeben Sie mir, wenn ich etwas verwirrt bin. Sie erwähnten ein Geschenk.«
    »Ich meinte damit den Jungen, Luxton. Er ist draußen, festgezurrt auf dem Rücken meines Pferdes. Ich will ihn loswerden.«
    Ich beiße mir auf die Lippen, um einen überraschten Aufschrei zu unterdrücken, aber ich beiße zu fest und schmecke Blut.
Pratt hat ihn Monstrum genannt
, denke ich.
Vater wird doch gewiss ablehnen, oder?
    Vater geht zum Kamin. Er wärmt sich nicht die Hände am Feuer, sondern starrt nur in die gelb zuckenden Flammen. Ohne sich umzuwenden, sagt er: »Warum sollte ich erwägen, diesem Weed Obdach in meinem Haus zu gewähren, nach allem, was Sie mir gerade erzählt haben?«
    Pratt schaut wieder zu mir, wendet sich dann zu meinem Vater und sagt mit gesenkter Stimme: »Sie sind für mich kein Unbekannter, Luxton. In meinem Geschäft reden die Leute über Sie. Ich habe gehört, wofür Sie sich interessieren – Ihre Tränke und Salben, die Forschung, die Sie betreiben, Ihre … Experimente …«
    »Genug!«, fuhr Vater auf. »Ich werde mir diesen Unsinn nicht länger anhören. Gehen Sie und nehmen Sie Ihre elende Kreatur nur wieder mit!«
    Pratt erhebt sich und setzt sich mit einer ruckartigen Geste den Hut auf. »Der Junge scheint gewisse Kenntnisse über die Zubereitung bestimmter Elixiere zu haben. Aus dem, was man über Sie sagt, schloss ich, dass dies Ihr Interesse wecken könnte.« Er dreht sich zur Tür. »Ich sage Ihnen was: Sie nehmen ihn auf und finden selbst heraus, ob er für Sie von Wert ist. Und dann reden wir über den Preis. Wenn Sie Ihre Neugier befriedigt haben, können Sie meinetwegen mit ihm anstellen, was Sie wollen. Mich kümmert es nicht, und wohl auch sonst niemanden. Er ist nichts als Unkraut, so viel ist sicher. Wie Sie ihn loswerden, ist Ihre Angelegenheit.«
    »Ein merkwürdiges Geschenk, in der Tat«, sagt mein Vater und streicht sich übers Kinn. »Und wenn Sie eine Bezahlung fordern, ist es eigentlich auch keines. Also schön. Die Zeit wird zeigen, ob Dankesworte – oder eine Bezahlung – angebracht sind, also werden Sie mir sicherlich nachsehen, dass ich Ihnen im Augenblick weder das eine noch das andere anbieten kann.«
    »Sie nehmen ihn also?« Pratt scheint sowohl erleichtert als auch ungläubig zu sein.
    »Wenigstens für eine Weile.«
    »Und Sie haben keine Angst?«
    Vater lächelt. »Ihren Worten nach zu urteilen, Pratt, ist er bloß ein junger Bursche, noch dazu ein schwachsinniger. Die Taten, derer Sie ihn beschuldigen, würden – abgesehen von einem verräterischen und mordlustigen Geist – ein Wissen erfordern, über das nur sehr wenige Menschen verfügen. Der arme Kerl scheint mir dazu gänzlich unfähig.«
    Pratt schüttelt den Kopf. »Um Ihretwillen hoffe ich, dass Sie recht haben, Luxton. Aber wenn Sie meinen Rat hören wollen: Halten Sie ihn von der Küche fern.«
    Mit diesen Worten geht Pratt zur Tür. Vater und ich folgen ihm nach draußen. Die zusammengekauerte Gestalt auf Pratts Pferd zuckt und zittert leicht. Ohne ein Wort löst Pratt die Schnüre, hebt das Bündel vom Pferd und wirft es auf den Boden.
    Im Fallen rutscht die zerlumpte Decke ein wenig zur Seite und ich erhasche einen Blick – zerzaustes schwarzes Haar über einer bleichen, hohen Stirn.
    Pratt bindet sein Pferd los und schwingt sich in den Sattel. Er schaut zu Vater und mir hinab, dann zu der mitleiderregenden Gestalt im Schmutz. Einen Moment lang sieht es so aus, als ob er in seinem Kopf nach Abschiedsworten

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