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Die Poison Diaries

Die Poison Diaries

Titel: Die Poison Diaries Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maryrose Wood
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stelle mich dann in den Hintergrund, um zuzuhören.
    »Ich bin der Gründer und Eigentümer des Pratt Genesungsheims«, erklärt Pratt stolz, während er sich zwei Kekse auf einmal in den Mund stopft. »Ich vermute, Sie haben davon gehört. Es ist hier im Norden ein weithin bekanntes Institut.«
    »Das habe ich in der Tat.« Mit einer Handbewegung lehnt Vater mein Angebot ab, ihm Tee einzuschenken, und so gieße ich Pratt eine Tasse ein und ziehe mich dann wieder auf meinen Platz im Schatten des Raums zurück. »Sie leiten also das Irrenhaus auf dem Land, ein paar Meilen westlich von Haydon Bridge?«
    Pratt zuckt die Achseln. »Nennen Sie es Irrenhaus, wenn Sie wollen. Ich ziehe es vor, darin einen sicheren Hafen für all jene zu sehen, die den Verstand verloren haben. Pratts Genesungsheim war von Anfang an ein gut geführtes Haus, und – wenn ich das sagen darf – auch ein durchaus profitables Unternehmen. Wir nehmen jeden, solange die Familie bezahlt: Mondsüchtige, Melancholiker, Möchtegern-Poeten, die sich das Gehirn mit Laudanum aufgeweicht haben. Von der Sorte haben wir eine ganze Menagerie.«
    Pratt ringt sich ein Lächeln ab, das eher einer Grimasse ähnelt. Einer seiner beiden Schneidezähne fehlt; der andere ist schwarz und verfault, und der Gestank seines Atems dringt selbst zu dem kleinen Schemel neben dem Feuer, auf dem ich Platz genommen habe. Er lehnt sich auf seinem Stuhl zurück und streckt die spindeldürren Beine aus. »Sie sehen also: Sie und ich, wir beide sind Männer der Medizin. Jeder nach seiner Art, Luxton.«
    Der Abscheu auf Vaters Gesicht ist nicht zu übersehen. »Ich verstehe mich zuvorderst als Pflanzer. Und Sie scheinen mir ehrlich gesagt eher ein Bankier zu sein und kein Heiler. Aber jetzt weiß ich, wer Sie sind und wie Sie Ihren Lebensunterhalt verdienen. Und so frage ich Sie noch einmal: Was führt Sie in mein Haus, MrPratt?«
    »Ich möchte Ihnen eine Geschichte erzählen.« Pratt leert seine Tasse und stellt sie dann mit einer solchen Wucht ab, dass die Untertasse klirrt. »Und ich habe ein Geschenk für Sie – obwohl Sie es vielleicht nicht haben wollen, wenn ich mit meiner Geschichte am Ende bin.«
    Eine dünne blaue Ader zieht sich in einer krummen Linie längs über Vaters Stirn. Das Pulsieren des Bluts ist deutlich zu sehen. »Ein Geschenk, das ich vielleicht nicht haben will?«, sagt er kühl. »Sie versuchen, mich einzuwickeln, Pratt. Allein dafür sollte ich Ihnen die Tür weisen, denn es missfällt mir zutiefst, wenn jemand Spielchen mit mir treibt. Wenn Sie etwas zu sagen haben, dann sagen Sie es, und zwar in einfachen, klaren Worten, wenn das möglich ist. Ich kann blumige Reden nicht leiden.«
    Einen Augenblick lang sieht es so aus, als wolle Pratt widersprechen, aber zu seinem eigenen Glück besinnt er sich eines Besseren. »Ganz wie Sie wünschen, Luxton. In klaren Worten also. Meine Geschichte handelt von einem Jungen. Einem Findling, einem Waisen zweifellos. Er ist ein seltsamer, halbwüchsiger Kerl. Ich weiß nicht, wie alt er ist – etwa so alt wie Ihre Tochter, wenn Sie mich fragen. Das ist doch Ihre Tochter, oder nicht?« Er ruckte mit dem Daumen in meine Richtung. »Ein bisschen jung für ein Eheweib, das ist jedenfalls meine Meinung. Aber jedem sein Pläsier.«
    Ich fühle, wie sich meine Wangen röten. »Das Mädchen hat keinen Anteil an Ihrem Anliegen, also erzählen Sie Ihre Geschichte endlich, wenn ich bitten darf«, sagt Vater scharf.
    Pratt hebt entschuldigend die Hände und fährt fort. »Ich wollte Sie nicht beleidigen. Der Junge, von dem ich spreche, kam vor etwa zwei Monaten zu mir. Davor war er von einem Ordensbruder aus der Gegend aufgezogen worden. Und davor … Gott allein weiß, aus welchem Wurf der Welpe stammt. Es ist nicht viel an ihm dran; er ist ein schreckhaftes Bürschchen mit wilden Augen. Sie kennen ja die Sorte: zuckt zusammen, wenn man mit ihm spricht, den Blick immer auf die Schuhspitzen gerichtet, und so dünn, dass eine starke Brise ihn wie einen toten Zweig zerbrechen könnte.«
    »Die Gesellschaft von Poeten hat Spuren bei Ihnen hinterlassen, Pratt«, bemerkt Vater trocken. »Ihrer Beschreibung nach war dieser Bursche wohl kaum eine Bereicherung für Ihren Haushalt. Warum haben Sie ihn überhaupt aufgenommen?«
    Pratt windet sich. »Nun, Sie wissen doch, wie das ist. In meinem Geschäft nimmt die Arbeit kein Ende, und ein zusätzliches Paar Hände ist immer willkommen. Und der Bursche aß kaum etwas, daher kostete er

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