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Die Poison Diaries

Die Poison Diaries

Titel: Die Poison Diaries Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maryrose Wood
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Hand durch das Haus und lösche alle Lampen. Erst da bemerke ich das Glas mit Belladonna-Beeren, das immer noch offen im Salon steht. Sorgfältig verschließe ich es mit dem Deckel und bringe es wieder in Vaters Arbeitszimmer.
    Ehe ich das Glas wieder auf das oberste Regalbrett stelle, beleuchte ich es mit der Kerzenflamme, um die schwarzen Perlen zu bewundern. Das weiche Licht flackert über die glänzende Haut und lässt die Beeren merkwürdig lebendig erscheinen. Sie sind dunkel, rund, glänzend und tödlich. Wunderschön.
    Wie die Pupillen einer Mörderin.

Kapitel 8
    23 . April
    Keine Nachricht von Vater. Weed spricht auch nicht mit mir. Was ist bloß mit meiner Familie geschehen, mit meinem neuen – meinem einzigen – Freund? Ich bin so allein.
    W eed hat die Nacht draußen im Garten verbracht. Jetzt ist es Morgen. Die meiste Zeit habe ich ihn in Frieden gelassen, obwohl ich hin und wieder aus dem Fenster schaue, um nachzusehen, ob es ihm gutgeht.
    Ich mag mich irren, aber mir scheint, dass er den Pflanzen, von denen er gestern die Blätter und Stängel für Vater gepflückt hat, besondere Aufmerksamkeit und Fürsorge angedeihen lässt: der Weinraute, dem Rainfarn, der Kamille, dem Mohn und dem Lavendel. Still setzt er sich abwechselnd neben sie. Seine Lippen bewegen sich kaum, aber sein Gesicht wirkt wie das von jemandem, der ins Gespräch vertieft ist.
    Ihn dort draußen zu sehen erfüllt mich mit Angst. In meinem Kopf wirbeln Fragen, die ich nicht auszusprechen wage.
    Wenn er verrückt ist
, denke ich,
ist es wenigstens eine harmlose Art von Verrücktheit: sich zu Pflanzen zu setzen und mit ihnen zu sprechen, als ob sie einen verstehen und die Bedeutung der Worte begreifen könnten. Oder nicht?
    ***
    Die Sonne steht schon kurz über dem Horizont. Weed ist noch immer nicht ins Haus zurückgekehrt, aber er ist auch nicht mehr im Garten. Ich vermute, er hat sich zu einem Spaziergang aufgemacht. Allein. Der Gedanke lässt mir die Tränen in die Augen schießen, und sofort schäme ich mich: dumme, verwöhnte Jessamine! Ich kann mich wohl einen Nachmittag lang allein beschäftigen und muss nicht gleich wie ein Baby losheulen.
    Auf jeden Fall hatte ich den ganzen Tag lang Zeit, um über die Ereignisse des gestrigen Tages nachzudenken. Ich habe keine Ahnung, woher Weed die Dinge weiß, die er weiß, oder warum er so entsetzt war, als ich den Löwenzahn gepflückt habe. Ich weiß auch nicht, warum er die vergangene Nacht im Garten verbracht hat. Und ich kann mir vorstellen, wie es Vater zur Raserei treibt, dass Weed sich weigert, die Quelle seines Wissens preiszugeben.
    Aber eins ist klar: Vater und Weed müssen Freunde werden, denn ich ertrage nicht, noch einmal so zwischen ihnen hin- und hergerissen zu sein. Sie sind mir beide lieb und teuer.
    Und sie sind einander sehr ähnlich
, denke ich,
mit ihren merkwürdigen Launen und ihren eifersüchtig gehüteten Geheimnissen.
    Außerdem scheinen beide sehr bewandert darin zu sein, mich allein zu lassen.
    ***
    Vater kehrt erst nach Einbruch der Dunkelheit zurück. Er ist ruhig, ernst. Aber so war es schon immer: Vaters Launen gehen vorbei wie ein Gewittersturm; auf einen kurzen, heftigen Ausbruch folgt ein ruhiger, freundlicher Himmel.
    »Konntest du das Bein des Mannes retten?« Rasch wärme ich die Reste vom Abendessen auf. Vater ist gewiss hungrig nach dem langen Fußmarsch.
    Er nickt. »Jetzt halten sie mich für einen Wunderheiler, obwohl du und ich wissen, wem die Ehre gebührt. Wo ist Weed, Jessamine? Ich muss mit ihm sprechen. Er hat jetzt vermutlich Angst vor mir, aber das muss er nicht. Kannst du ihn bitten, zu mir zu kommen und mit mir zu reden?«
    »Ich werde es versuchen.«
    Vorhin war ich zu stolz – und auch zu furchtsam –, um nach Weed zu suchen, aber jetzt, da sich Vater mit ihm versöhnen möchte, würde ich quer durchs ganze Land marschieren, um ihn zu finden. Aber das ist nicht nötig: Noch bevor ich den Pfad erreiche, sehe ich ihn auf dem Boden liegen, halb verborgen zwischen den Pflanzen des Färbergartens. Seine Hand ruht leicht auf dem Blutwurz, als ob er die Blätter und Blüten gestreichelt hätte.
    Wo warst du? Warum hast du dich mir nicht anvertraut? Wie konntest du mich den ganzen Tag mit meinen Ängsten und unbeantworteten Fragen allein lassen?
Meine Gedanken sind so verheddert und dornig wie eine Brombeerhecke, und ich biege sie gewaltsam beiseite, so weit weg wie möglich, damit Ruhe in meine Stimme einkehren kann.
    »Bitte komm

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