Die Poison Diaries
meinen Schenkel, als ob ich ein Schoßhund wäre. Ich will mich aus seinem Griff winden. Als er mich nicht loslässt, schlage ich ihm mitten ins Gesicht.
Der laute Knall lässt alle anderen verstummen. Aus seiner Umklammerung befreit, komme ich auf die Füße, werde aber von zwei anderen Männern gepackt.
Der Grauhaarige wischt sich einen Blutfaden aus dem Mundwinkel und lächelt. »Ruchlos und todesverachtend, in der Tat. Und wunderschön«, sagt er, als ob ich gar nicht anwesend wäre. »Ein passendes Spielzeug für einen König.«
Die anderen kichern. Ich will mich befreien, aber es gelingt mir nicht. Derjenige, der sich Narzisse nennt, nimmt mein Kinn in seine Hand und dreht mein Gesicht mit einem Ruck zum Licht. Mit kühlem Interesse schaut er mir in die Augen, erst in das eine, dann in das andere.
»Zu Ihren anderen Tugenden, meine Liebe, kommt noch eine Opiumsucht ersten Ranges«, verkündet er. »Wie wunderbar dekadent. Ich hoffe, Ihre Leidenschaft hindert Sie nicht an der effektiven Durchführung Ihrer Pflichten.«
Die Männer nicken zustimmend.
»Es verleiht mir Mut«, sage ich. »Es befreit mich, damit ich meine Aufgaben erledigen kann.«
»Tatsächlich? Dann sollten wir ihr noch mehr davon geben«, sagt einer der Männer lachend. »Vielleicht wird sie dann ein wenig freundlicher.«
Man bereitet mir ein Glas zu, Whiskey und Laudanum, und dann noch eins, und es dauert nicht lange, da lache ich schallend und tanze mit zurückgeworfenem Kopf, das Haar hinter mir herwallend, vor dem Feuer für meine mörderischen Gefährten.
Doch ich bin keine zerbrochene, verlorene Seele inmitten dieser mächtigen Männer. Nein, ich bin es, die triumphiert. Ich kann alles sein, was sie in mir sehen wollen. Und noch viel mehr. Das Gift in meinen Adern pocht vor Lust und Gier. Es ist, als würde ich nach Hause kommen.
Und während der ganzen Zeit treiben mich Oleanders Worte an, wie warme, zärtliche Flügelschläge.
Tanz, meine herrliche, tödliche Geliebte. Vergiss diese intriganten Narren und tanze ohne Scheu. Tanz für mich allein … denn schon bald wirst du mein sein … doch zuvor gehörst du dem König …
Kapitel 15
3 . November
Später, wieder zu Hause, erzählte ich Signora Baglioni von der Warnung der sterbenden Orchidee. Wir waren uns sofort einig: Oleander höchstpersönlich steht hinter dem geplanten Attentat auf den König.
Warum? Zweifellos um seine Macht zu demonstrieren. Um Angst und Schrecken in der Welt zu verbreiten, denn genau das ist sein größtes Vergnügen. Aber es ist Jessamine, die den Schlüssel zu seiner Macht in ihren Händen hält. Und was sollte Jessamine mit einer derart üblen Tat zu tun haben?
Die Enthüllung der Orchidee treibt uns zur Eile an, denn bis zum Martinstag haben wir gerade noch eine Woche Zeit.
Zwei Tage und zwei Nächte lang hat die Signora damit zugebracht, die drei unterschiedlichen Formeln des Mithridats, die sie von Dr. Carburi erhalten hat, zusammenzumischen. Ungetestet sind sie allerdings nutzlos, aber wenn ich sie darauf anspreche, winkt sie ab und arbeitet einfach weiter, während sie in ihrer eigenen Sprache flucht und vor sich hinmurmelt.
Wieder und wieder hat sie mich in den Garten geschickt, um verschiedene Pflanzen und Kräuter zu holen. Heute Morgen präsentierte sie drei Phiolen des legendären Gegengifts – eine von jeder Rezeptur.
»Eine davon wird deinem König das Leben retten, aber welche? Nimm sie mit«, sagte sie erschöpft, denn sie hatte kaum geschlafen. »Bring sie in den Garten. Frage die Pflanzen um Rat.«
In Wahrheit ist mir das Schicksal dieses Königs herzlich egal und auch das Schicksal irgendeines anderen Monarchen. Die Felder und Wälder halten sich nicht an Landesgrenzen. Aber wenn Oleander diesen Mord für seine Zwecke missbrauchen will, werde ich tun, was ich kann, um ihn aufzuhalten.
Und wenn der Giftprinz schon in der Nähe ist, hoffe – und fürchte – ich, dass auch Jessamine nicht mehr weit ist.
Ich bin bereit.
D er Baum, den die Signora die St.-Peters-Palme nennt, ist die älteste Pflanze im Garten, und auch die klügste. Er freut sich nicht, mich zu sehen, aber es gibt kein Gewächs, dem ich eher zutrauen würde, diese drei kostbaren Phiolen zu beurteilen.
»Du schon wieder?«, sagt der Baum verärgert, als ich mich vor ihn hinknie. »Wir haben geduldig zugesehen, wie du von Ingwer, Safran, Kardamom, Hirtentäschel, Anis, Johanniskraut, von Süßakazie und von Apulischem Zirmet genommen hast, daneben
Weitere Kostenlose Bücher