Die Poison Diaries
dass es schlimmer ist, als den eigenen Vater zu töten?
Nicht vielen Menschen gelingt es, beides zu vollbringen. In dieser Beziehung kannst du dich glücklich schätzen. Aber warum stellst du diese sinnlosen Fragen? Ich hoffe doch nicht, dass dir Zweifel kommen. Denn ich wäre sehr enttäuscht, wenn du dein Wort brechen würdest.
Nein. Ich weiß, dass es keine Rolle mehr spielt. Ich werde zur Hölle fahren, egal, was passiert. Ich war nur neugierig. Darf ich dich noch etwas fragen?
Neugier ist der Katze Tod, meine Liebe.
Trotzdem, ich möchte es gerne wissen. Ist Weed am Leben?
Weed! Warum fragst du?
Ich … ich bin mir nicht sicher. Ich würde mich gerne von ihm verabschieden, glaube ich.
Zu spät, mein Herz. Ich wollte es dir die ganze Zeit schon sagen. Weed hat sich selbst vergiftet.
Nein! Das glaube ich dir nicht!
Ich versichere dir, dass er genug Gift genommen hat, um zehn Männer zu töten. Ziemlich verschwenderisch, wenn du mich fragst. Es tut mir leid, wenn dich diese Nachricht aufregt. Aber du weißt genau, dass ich dich in einer Angelegenheit, die mir so am Herzen liegt, niemals anlügen würde.
Ich weine.
Still, mein Liebchen. Trockne deine Tränen. Du wirst noch den König aufwecken.
Ich kann nicht aufhören.
Dann nimm noch etwas Laudanum. Das wird dich beruhigen.
Noch mehr? Aber mir ist jetzt schon so schwindelig … mein Kopf ist ganz benebelt …
Je mehr du nimmst, desto näher kann ich dir kommen. Wenn du noch ein bisschen mehr wagen würdest, könnten wir einander gewiss berühren. Wäre das nicht ein Trost für dich, in dieser Zeit großer Trauer? Gutes Mädchen … so, meine Schwingen umschließen dich. Kannst du es fühlen?
Ich glaube, ja. Oleander … ich werde sterben, wenn das alles vorbei ist, nicht wahr?
Immer diese Fragen! Du musst mir vertrauen, meine Schöne. Wenn deine Arbeit getan ist, wirst du bei mir sein. Ich bin deine ewige Belohnung.
Versprich es mir.
Du wirst deine Zuflucht finden. Das verspreche ich.
***
»Idiot, Idiot, Idiot! Dreimal verfluchter Idiot! Dein Leben zu riskieren, nur auf das Wort eines zweihundert Jahre alten Gewächses! Weed? Kannst du mich hören?«
Zwei flinke Finger öffnen mein rechtes Auge. Durch den Schlitz sehe ich das Gesicht von Signora Baglioni. Wütend und besorgt. Eher wütend als besorgt, denke ich. Sie lässt los, und wieder kommt die Dunkelheit über mich. Ich will mich bewegen, bringe aber nur ein Stöhnen zustande.
»Noch am Leben.
Bene!
Denn ich möchte doch noch die Gelegenheit haben, dir gründlich den Kopf zu waschen, für das, was du getan hast! In dem Moment, in dem du wieder aufrecht stehen kannst, werde ich dir eine Standpauke halten, so dass du dir wünschen wirst, tatsächlich krepiert zu sein!«
Jetzt mache ich die Augen auf, aus eigener Kraft. Nur ein kleines bisschen. Das Licht blendet mich. Wieder stöhne ich.
»Wie geht es dir?«
»Sie scheinen davon überzeugt zu sein, dass ich lebe. Ich bin mir da nicht so sicher.« Ich drehe meinen Kopf von einer Seite zur anderen. In meinem Schädel rollt mein Gehirn von rechts nach links wie eine Kanonenkugel. »War es das dritte Mittel?«
»In der Tat. Du hattest großes Glück. Beinahe wärst du gestorben. Ich hatte Angst, ich würde dir die Kiefer brechen müssen, so verkrampft warst du, als ich versuchte, dir das Mittel zu verabreichen. Ich dachte, es sei zu spät.«
»Wie lange war ich krank?«
»Drei Tage. Der König und sein Gefolge sind gestern in Padua eingetroffen. Du bist gerade noch rechtzeitig von den Toten auferstanden.«
Ich kämpfe mich in eine aufrechte Position. Langsam schiebe ich die Beine aus dem Bett und stelle meine Füße auf den Boden. Das Zimmer dreht sich, beruhigt sich aber rasch wieder. Die Signora reicht mir ein Glas mit Zitronenwasser. »Trink«, befielt sie. »Morgen Abend wirst du einem königlichen Maskenball beiwohnen, hier in Padua. Der König und seine Kumpane werden bis in die frühen Morgenstunden feiern und zechen. Du wirst dafür sorgen, dass nicht irgendetwas im Wein des Königs landet, was dort nichts zu suchen hat. Wenn er aus irgendeinem Grund plötzlich zusammenbricht, wirst du ihm das Mithridat verabreichen – für dessen Wirksamkeit du mittlerweile persönlich garantieren kannst.«
Ich gebe der Signora das leere Glas zurück und strecke mich. Ganz plötzlich verspüre ich einen Bärenhunger. Ein gutes Zeichen. »Wie haben Sie es geschafft, eine Einladung zu einem solch exklusiven Ereignis zu ergattern?«
Sie
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