Die Polizistin
Beifahrertür und wartete, bis Melanie ein-gestiegen war. »Warum lässt du das Shawn nicht entscheiden?«
Als sie endlich auf den Parkplatz des Krankenhauses fuhren, wusste Shanna nicht, wer aufgeregter war, sie oder Melanie.
»Hallo, Partner«, sagte sie, als sie die Tür weit aufgestoßen hatte. »Der Doktor hat verboten, dir ein paar Flaschen Bier mitzubringen, aber gegen eine umwer-fende Blondine hat er nichts gesagt.«
»Gott sei Dank, eine Abwechslung«, sagte Shawn. Er hob eine Hand, um den Fernseher abzuschalten. »Ich werde hier noch verrückt vor lauter Langeweile…«
Shanna hatte bei ihrem Partner noch nie so eine Transformation gesehen. Als er die Frau hinter ihr sah, fiel ihm die Fernbedienung aus der Hand. Sie schlug scheppernd auf den Boden. Shanna bückte sich lä-
chelnd danach.
»Hallo, Melanie«, sagte er leise.
»Hallo«, flüsterte die Blondine.
»Melanie und ich haben uns zu einem Einkaufsbummel verabredet, und dann haben wir beschlossen, dich mal kurz zu besuchen«, sagte Shanna.
»Großartig.«
Shanna hatte das Gefühl, auch wenn sie jetzt einen Salto schlug, würde ihr Partner das nicht bemerken, denn seine ganze Aufmerksamkeit richtete sich auf die blonde Frau, die neben ihr stand.
»Oh, Shawn, dein armes Gesicht.« Melanie wollte die Hand nach ihm ausstrecken, aber sie zog sie rasch zurück, bevor sie ihn berührt hatte.
In Shawns Augen zuckte etwas, und Shanna war fasziniert.
»Ach, an dieser Visage war kaum was zu verunstal-ten«, sagte Shawn.
Melanie trat näher, und diesmal strich sie mit den Fingern sanft über den dunkelblauen Wangenknochen.
»Du hast so ein schönes Gesicht«, murmelte sie.
Shawn schluckte, und als er Melanie anschaute, war für Shanna klar, dass sie für die beiden gar nicht mehr im Zimmer war.
Himmel! Wenn sie etwas geahnt hätte, wäre sie früher schon als Kupplerin aktiv geworden.
Shawn hob eine Hand, und Melanie verharrte reglos, als er über ihre Haare strich. »Du siehst heute ganz anders aus.«
Melanie brachte kein Wort heraus, aber schließlich sagte sie leise: »Shanna hat mir geholfen.«
Shanna sah die verliebten Blicke und spürte, wie sich ein Kloß in ihrem Hals festsetzte. Himmel, sie dachte, so etwas gäbe es nur in Märchen. »Ich glaube, ich lasse euch mal allein.«
»Ja, geh ruhig«, sagte Shawn.
»Oh, wenn du deine Ruhe brauchst…«, begann Melanie unsicher.
»Du bleibst«, sagte Shawn und hielt sie am Handgelenk fest.
Shannas Herz schlug aufgeregt, als sie aus dem Kran-kenzimmer schlüpfte. Ach, war Liebe schön. Sie war fast ein bisschen verlegen, dass sie der intimen Szene beigewohnt hatte. Melanie war aber auch zu niedlich.
Niedlich – das war ein Wort, das auf sie selbst absolut nicht passte.
Sie war immer ein wildes Kind gewesen. Ihre Schwester auch. Sie hatten das Leben bei den Hörnern gepackt und aus dem Vollen geschöpft. Sie waren wohl beide keine Mädchen gewesen, die ein Junge zu seiner Mutter mit nach Hause nimmt. Eher schon mit ins Bett.
Shanna saß hinter dem Lenkrad und dachte eine Weile nach. Sie hatte den Weg aus der Gosse gefunden, aber sie würde nie so niedlich und fast unschuldig sein wie ihre Freundin. Sie beneidete Melanie nicht um ihr Leben, aber es öffnete ihr die Augen.
Seit gestern Abend mit Joe hatte sie wie in einem Traum gelebt, der sich auch heute noch beim Einkaufen fortgesetzt hatte. Aber jetzt war es Zeit, der Realität wieder ins Auge zu sehen. Manuel Santos hatte ihrer Schwester jede Chance geraubt, ein normales Leben zu führen.
Es wurde Zeit, dass er dafür zahlte.
Sie langte in ihre Handtasche und holte das Handy heraus. Entschieden ging sie die einzelnen Nummern durch, bis sie auf Sonnys Handy stieß. Sie drückte die Zahlen und wartete ungeduldig, dass er sich meldete.
»Hallo, großer Junge«, sagte sie ins Telefon, als ob sie hinter Atem wäre. »Hast du Lust zum Spielen?«
Zwölftes Kapitel
Shanna hinterfragte noch einmal ihren Alleingang, als sie zur anderen Seite der Stadt in ein herunterge-kommenes Motel fuhr. Eigentlich brach sie ein Versprechen, das sie Joe gegeben hatte. Aber sie traf sich nicht im Tasseis mit ihm.
Wenn Joe das herausfand… Ihr gefror das Blut in den Adern, als sie daran dachte.
Aber sie konnte sich dadurch nicht aufhalten lassen.
Sie hatte einiges wieder gutzumachen. Seit Joes Auftritt im Tasseis war ihre Beziehung zu Santos’ Leuten ernsthaft in Gefahr geraten. Sie hoffte, die Situation zu retten. Denn Sonny war der einzige Weg, den
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