Die populaersten Irrtuemer ueber das lernen
Unbestritten kann sie der sozialen und emotionalen Entwicklung von Kindern dienlich sein. Die
Spitzen-Geigerin Julia Fischer hat es in einem Interview einmal so formuliert: „Ich glaube, dass ein Mensch die Kunst braucht, um sich emotional, aber
auch ethisch und moralisch weiterzubilden. Deshalb reagiere ich allergisch, wenn ich höre, man soll in den Schulen mehr Musikunterricht machen, weil sich
die Kinder dann besser konzentrieren können, mehr Disziplin haben, besser in Mathe sind … Warum Schüler sich mit Musik befassen sollten, hat den
einfachen Grund: weil sie als reifere Menschen aus dem Musikunterricht rausgehen.“
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Kinder schreiben keine besseren Noten in Mathe, wenn sie ein Instrument lernen. Eltern, die
den privaten Musikunterricht ihrer Kinder nur deshalb finanzieren, damit diese in der Schule erfolgreicher sind, können sich das Geld guten Gewissens
sparen. Kinder profitieren von Hobbys in vielfältigster Weise. Sie sollten sie sich jedoch aussuchen dürfen – nach ihren individuellen Neigungen und
Interessen. Wer lieber Schach spielt als Harfe, muss keine Nachteile fürchten. Musik bereichert das ganze Leben, aber es deutet einiges darauf hin, dass
es hinsichtlich des Lernens eher Vor- und Grundschulkindern etwas nützt. Singen, klatschen, musizieren fördern z. B. das Erkennen von Sprachlauten und
erleichtern so den Zugang zum Lesen und Schreiben. Ein antiquiert anmutender und doch aus wissenschaftlicher Sicht höchst aktueller Tipp an Eltern mit
kleineren Kindern: Investieren Sie in ein Liederbuch! (Empfehlenswert ist z. B. das von Tomi Ungerer zauberhaft illustrierte große Liederbuch mit 204
deutschen Volks- und Kinderliedern.)
Irrtum: Wer Theater spielt, rechnet besser
Keine Frage: Zur Bildung gehört auch die Beschäftigung mit der Kunst. Heute aber werden immer öfter Schülerausstellungen oder
Aufführungen von Theater-AGs mit dem Hinweis eröffnet, wie nützlich diese Aktivitäten auch für erfolgreiches Lernen sind. Wie dem Musizieren wird auch dem
Tanz, dem Zeichnen und vor allem dem Theaterspiel eine geheimnisvolle, Intelligenz steigernde Wirkung nachgesagt. Dauernd ist zu lesen, Schüler mit
Theater-Erfahrung seien „nachweislich“ besser in Mathematik. Ein überzeugender Beweis steht allerdings aus, und man darf daran zweifeln, dass es jemals
einen geben wird. Abstraktes Denken oder die Fähigkeit, Matheaufgaben zu lösen, lässt sich nicht forcieren, indem man den Puck im „Sommernachtstraum“ gibt.
Was aber ist mit indirekten Effekten? Schüler, die sich künstlerisch betätigen, so heißt es, könnten sich gut
konzentrieren. Vielleicht verbessert sich durch eher kreatives Arbeiten die Motivation und die Schüler gewinnen ein positiveres Bild von sich, welches es
ihnen ermöglicht, vieles selbstbewusster anzugehen. Häufig wird auch Disziplin ins Feld geführt. Wer einmal erlebt hat, dass man ausdauernd und ernsthaft
arbeiten muss, um ein Stück erfolgreich auf die Beine zu stellen, strengt sich demnach auch beim Rechnen mehr an. Tatsächlich gibt es Studien, die
positive Zusammenhänge zwischen Schulerfolg und der Teilnahme am Kunstunterricht oder der Theater-AG bestätigen. Ähnlich wie bei zahlreichen
Untersuchungen zum Musikunterricht ist es jedoch auch ziemlich wahrscheinlich, dass sich für Kunst oder Theater besonders Kinder aus bildungsorientierten
Elternhäuserninteressieren. Kinder aus solchen Familien aber sind in der Schule ohnehin im Vorteil.
Eine andere plausible Erklärung für die wenn auch geringe Korrelation zwischen Tanz, Theater, Zeichenkurs und Schulerfolg könnte sein,
dass Schulen, denen es gelingt, ihre Schüler für die Künste zu begeistern, auch sonst einfach gut sind. Vielleicht vermitteln diese Schulen ein Gefühl der
Geborgenheit und Sicherheit und schaffen damit eine gute Lernatmosphäre. Es ist ebenfalls nicht auszuschließen, dass sich von innovativen Schulen auch
besonders innovative Mathematiklehrer angezogen fühlen.
Um Missverständnissen vorzubeugen: Ich bin sehr für Theater,-Musik,-Tanz,- oder Kunstprojekte an Schulen. Über vier Wochen konnte ich
eine achte Jahrgangsstufe eines Gymnasiums begleiten, die, statt in der Klasse zu büffeln, vom Ensemble eines Staatsballetts in Tanz unterrichtet
wurde. Zu sehen, wie aus 100 schwatzenden, chaotischen, körperlich aber eher schlaffen Teenagern eine Truppe wurde, die mit ausdrucksstarker Haltung,
erhobenen Hauptes und wachen
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