Die populaersten Irrtuemer ueber das lernen
Vorhersagen rechtfertigt er mit zahlreichen Studien, aus denen er sich allerdings nur das herauspickt, was
seine Theorie bestätigt – alles andere bleibt ungesagt. So gibt es z. B. tatsächlich eine Studie mit amerikanischen Kindern, die zeigt, dass ein höherer
TV-Konsum bei unter Dreijährigen mit einer geringeren Fähigkeit zumLesenlernen einhergeht. Unterschlagen wird aber, dass es sich dabei
um Kinder handelt, die mehr als drei Stunden täglich fernsehen. Die Vergleichsgruppe bestand dagegen nicht aus Kindern, die nicht fernsehen, sondern aus
Kindern, die bis zu einer Stunde täglich fernsehen. Es sind nach deutschem Verständnis also nur absolute Vielgucker, die beim Lesenlernen schlechtere
Karten haben. Damit aber darf man nicht hinter dem Berg halten. Für Eltern dürfte die ganze Wahrheit jedenfalls entlastend sein.
So wenig überzeugend Spitzer im Detail ist, völlig Unrecht hat er selbstverständlich nicht. Niemand wird behaupten, dass stundenlanges
Glotzen irgendwie von Vorteil sein könnte. Doch Polarisierung verstellt den Blick auf ein differenziertes Bild. Nicht die Fernsehgewohnheiten, sondern das
soziale Umfeld von Kindern ist für den Schulerfolg entscheidender, sagt Helga Theunert, Leiterin des JFF-Instituts für Medienpädagogik, die meine Kollegin
Nina Meckel für ihren Artikel Wozu die Glotze verteufeln? interviewt hat. Besonders Kinder aus sozial schwachen Familien haben im deutschen
Bildungssystem schlechte Karten. Doch wo die 50 Euro fehlen, die heute ein Zoobesuch einer vierköpfigen Familie locker kostet, oder der kaum geringere
Betrag, den man für ein paar Stunden im Spaßbad braucht, fehlt die Alternative zum stets verfügbaren Flimmerkasten. Wird dick, wer zu viel fernsieht, oder
schauen dicke Kinder mehr fern, weil ihnen andere Aktivitäten verwehrt sind? Macht das Fernsehen dumm oder schauen sozial Benachteiligte besonders viel
fern?
Den nationalen und internationalen Forschungen kann man laut Maya Götz vom Internationalen Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen entnehmen, dass Fernsehen für kleine Kinder nichts ist. Anders als in Deutschland ist es in den USA durchaus üblich, dass schon Babys
fernsehen. Doch selbst „Baby-Bildungsfernsehen“ ist für die Zielgruppe nichts weiterals buntes Spektakel. Gefährlich wird es, wenn
Kleinkinder richtig lange vor der Glotze sitzen. Die oben bereits erwähnte amerikanische Langzeitstudie hat für das Lernen gezeigt, dass Vielseher (unter
Dreijährige, die mehr als drei Stunden fernsehen) später weniger lesekompetent sind und ein schlechteres Kurzzeitgedächtnis haben. Schon Vorschulkinder
können dagegen auch vom Fernsehen profitieren. Fans der „Sesamstraße“ z. B. sind variantenreicher in ihrer Muttersprache und haben ein besseres
mathematisches Grundverständnis. Ähnliche Ergebnisse gibt es für ältere Kinder und Jugendliche. Fernsehen macht also nicht automatisch dumm, sondern man
kann durch Fernsehen auch ein kleines bisschen schlauer und erfolgreicher werden.
Die Untersuchungen des Kriminologen Christian Pfeiffer haben dagegen die Aufmerksamkeit auf ein echtes Problem gelenkt: Junge Männer
mit einem Fernseher und einer Videokonsole im eigenen Zimmer, die sie ausgiebig nutzen. Ein Übermaß an Medienkonsum aber birgt tatsächlich auch das
Risiko, in der Schule nicht mehr mitzukommen. Kollegin Meckel hatte dennoch keine Schwierigkeiten, für ihre Reportage einen 18-Jährigen mit Super-Noten zu
finden, der sowohl Fernseher als auch Daddelkram neben dem Schreibtisch stehen hatte. Meckels Erklärung: „Computerspielen und Fernsehen führen nicht in
die Medienverwahrlosung, solange für Freunde und Hobbys genügend Zeit bleibt.“ Solange die Lebensgestaltung eines Kindes dem eines „Gemischtwarenladens“ ähnele, formuliert es Medienexpertin Theunert, könne auch mit dem Medienkonsum nichts schiefgehen.
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Die wahren TV-Junkies sind Erwachsene, nicht Kinder und Jugendliche. Maßloser TV-Konsum wird auf Dauer dem
Oberstübchen eher schaden als nutzen, aber die Glotze pauschal zu verteufeln ist auchnicht gerechtfertigt. Fernsehen kann ein tolles
Bildungsmedium sein, und wer Wissenssendungen sowie für den Nachwuchs eigens aufbereitete Nachrichtensendungen schaut, lernt garantiert was. Aber auch
reine Unterhaltungsprogramme sind nicht nur für die Katz. Auf die Frage, ob sie was von „Hannah Montana“ gelernt habe, antwortet meine 11-Jährige
spontan: „Dass
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