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Die populaersten Irrtuemer ueber das lernen

Titel: Die populaersten Irrtuemer ueber das lernen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Jacobs
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vorbereiten. Auch für schüchterne Kinder müssten kleine
     Klassen von Vorteil sein. Sie werden nicht so leicht übersehen. Kleinere Klassen müssten außerdem zu einer konzentrierten Lernatmosphäre führen. Der
     Lehrer hat die Klasse besser im Griff, der Lärmpegel fällt, und deshalb muss logischerweise auch der Stress geringer sein. Last but not least kann sich
     der Lehrer dem Einzelnen besser widmen.

    Diese Argumente klingen so überzeugend, dass sich alles in einem sträubt, etwas anderes zur Kenntnis zu nehmen. Dennoch zeigen die
     nationalen Studien im Wesentlichen keinen Dissens. Im Gegenteil: Die Untersuchungen bestätigen einander in unüblicher Weise. Nahezu alles, was die
     deutsche Forschung in den letzten 30 Jahren hervorgebracht hat, weist in die eine Richtung: Kleinere Klassen bringen nichts. Die internationale
     Forschungslage ist dagegen widersprüchlicher, aber den Ergebnissen lässt sich entnehmen, dass der Nutzen kleinerer Lerngruppen auf die unteren
     Klassenstufen beschränkt ist. Klassen unter 20 Schülern zeigen vor allem in der Grundschule Wirkung. Auch leistungsschwache und sozial benachteiligte
     Kinder profitieren von kleineren Klassen. Weniger Mitschüler zu haben kann demnach bestimmten Schülergruppen durchaus zum Vorteil gereichen. Aber sowohl
     die nationalen wie auch die internationalen Studien belegen, dass die meisten Schüler auch in großen Klassenverbänden erfolgreich sind.

    Wie aber kann das sein? Die Erziehungswissenschaftlerin Grit im Brahm (geb. Arnhold), die eine viel zitierte Studie zum Thema
     verantwortet, hat eine simple Erklärung: Demnach unterrichten Pädagogen in kleineren Klassen nicht anders als in großen.Weder fördern
     sie die Schüler individuell, noch wenden sie andere Methoden an. Ob aber 25 Kinder einem Lehrer zuhören oder 35, ist egal. Die Möglichkeiten zur
     Steigerung der Unterrichtsqualität, die kleinere Lerngruppen bieten, bleiben ungenutzt. Schüler arbeiten hingegen auch in kleinen Klassen keineswegs
     disziplinierter. Befragt, wie aufmerksam sie dem Unterricht folgen, antworteten sogar mehr Schüler aus kleinen Klassen, sie seien im Unterricht „mit den
     Gedanken ganz woanders“. Vielleicht zwingt ja eine größere Klasse zum strafferen Klassenmanagement?

    Baden-Württemberg hat zur Bildungsoffensive geblasen und will 4000 neue Stellen für Lehrer schaffen, um die erlaubte Schülerzahl in
     Klassen von derzeit 33 zunächst auf 30, später dann auf 28 Schüler zu senken. Auch in anderen Bundesländern laufen die Einstellungskampagnen für Lehrer
     auf Hochtouren, wobei sich die Länder die Kandidaten zum Teil regelrecht abjagen. Doch man darf davon ausgehen, dass der plötzliche Aktionismus auch dem
     Umstand geschuldet ist, dass Eltern, die sehr genau mitkriegen, dass irgendwas schief läuft mit der Bildung, so am schnellsten Ruhe geben. Bundesweit
     beklagen sich die Elternverbände in erster Linie über zu große Klassen. Wenn die Klassengröße allerdings wenig bis keinen Einfluss auf den Lernerfolg hat,
     wären Millionen Euro wieder mal an der falschen Stelle investiert. Bildungsökonom Ludger Wößmann vom ifo Institut hegt daran keinen Zweifel. Er ist nicht
     der einzige. Auf der anderen Seite muss man die Pädagogen ernst nehmen. Sie klagen, dass der Unterricht in großen Klassen sie enorm belaste. Was hindert
     uns, das Angenehme (bessere Arbeitsbedingungen) mit dem Nützlichen (bessere Leistung) zu verbinden? Vielleicht kommt ja mal jemand auf die Idee, den
     Lehrern zu zeigen, wie man mit kleineren Klassen effizienter arbeitet.

    Grundsätzlich aber widmen wir hierzulande einzelnen, äußeren Variablen allzu große Aufmerksamkeit, während wir
     wesentlichere Faktoren aus dem Blick verlieren. Wir fordern kleinere Klassen oder eine bessere Ausstattung, weniger Unterrichtsausfall und mehr Geld. Um
     über die große Linie zu streiten, fehlt uns die Ausdauer. Was müssen wir Kinder lehren, damit sie in einer ungewissen Zukunft die besten Chancen haben?
     Welche Fertigkeiten werden sie wohl brauchen? Wie vermitteln wir ihnen Wissen am besten, und wie lassen sich dabei unumstrittene Ergebnisse der
     Lernforschung nutzen? Auch auf einer besseren Auswahl und Ausbildung der Lehrer bestehen wir nicht nachdrücklich genug. Lehrer, vor allem die an
     Gymnasien, sind in erster Linie Romanisten, Germanisten, Physiker etc. Didaktiker sind Pädagogen in aller Regel nicht. Statt Lehrern ständig zu
     unterstellen, dass sie zu faul sind

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