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Die Portugiesische Reise (German Edition)

Die Portugiesische Reise (German Edition)

Titel: Die Portugiesische Reise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: José Saramago
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die große Anzahl von Aquarellmalern, Naturalisten und Freilichtmalern, zwei Bilder von Eduardo Viana, außerdem antike Skulpturen, diverse Tafelbilder aus dem 16. und 17. Jahrhundert, kurz, es gibt eine Menge zu sehen. Natürlich nur, wenn das Licht auch funktioniert.
    Um zur Kathedrale zu gelangen, muss man nur den Platz überqueren, aber der Reisende will seinen Augen eine Pause gönnen und sie auf ganz profanen Dingen ruhen lassen, auf den Häusern, den wenigen Menschen, die vorbeikommen, den Straßen und ihren verlockenden Namen: die des Baumes, des Bodens, des Meisters, die Dunkle, die Rechte, die Schöne, die von Gonçalinho, die des Friedens, in der ebendeswegen auch die Fahne hängt. Dieses ist die Altstadt von Viseu, der Reisende lässt sich Zeit und hat dabei das Gefühl, sich in einer anderen Zeit zu befinden. Sicher ein subjektiver Eindruck, zumal in der Stadt gar nicht so viel auf vergangene Zeiten hinweist, dass man denken könnte, man befände sich im Reich König Dom Duartes, von dem dort eine Statue steht, geschweige denn in dem des Viriatus, dessen Bronzefigur den römischen Cava do Viriato bewacht. Wenn der Reisende nicht aufpasst, endet er noch als Westgote.
    Und das hier ist das Knotengewölbe, die Abóbada dos Nós, eine Extravaganz des Architekten, der es vorgeschlagen, oder des Bischofs, der es in Auftrag gegeben hat. Der Reisende hat nicht vor, zu überprüfen, wessen Idee es war. Wegen seiner Vorliebe für funktionale Linien kann er den Sinn dieser Knotenimitationen nicht verstehen. Die Verwendung von Tauen im 16. Jahrhundert als manuelinische Verzierung wird hier zu weit getrieben, wenn nicht ad absurdum geführt. Sicher werden die Touristen staunen, und der Reisende fragt sich, worüber. Und wie schon einige Male zuvor erhält er keine Antwort.
    Jetzt kommt jemand, den er fragen könnte. Es ist der Fremdenführer der Kathedrale, ein flatteriger Mensch, immer in Bewegung, der keine Zweifel oder Fragen zulässt und den Reisenden rastlos von der Kirche zum Kreuzgang schleppt, von dort zur Sakristei, dann zur Schatzkammer und wieder in die Kirche, dann hinaus, und während er läuft, gibt er irgendwelche Worte von sich, zum Beispiel öffnet er ein Fenster und sagt Alfama, dann öffnet er ein anderes Fenster und sagt irgendetwas anderes, und damit will er auf die Ähnlichkeit zu anderen Orten in Portugal oder anderswo auf der Welt hinweisen, gütiger Himmel, was ist das für ein Führer. Selbstverständlich hat der Reisende ihn nichts gefragt, und selbstverständlich kann er sich auch an das Gehörte nicht erinnern. Er gräbt ganz tief in der Erinnerung, schüttelt den Staub ab, und da erinnert er sich an die Azulejos aus dem 18. Jahrhundert im Korridor, der zur Sakristei führt, an die anderen in der Sakristei selbst, den hohen Chor und die Schnitzereien, die Renaissance-Galerie im Kreuzgang, das vor kurzem entdeckte romanisch-gotische Portal, die maurische Decke in der Kalvarienkapelle. Die Erinnerung ist stark, dass sie diesen Fremdenführer überstanden hat.
    Die Schatzkammer der Kathedrale war der Ort, an dem sein Begleiter zur Höchstform auflief. Der Reisende will nicht nachtragend sein, aber eines Tages würde er doch gern wiederkommen und sich einmal ansehen, was ihm hier leider nicht möglich war, nicht weil er körperlich daran gehindert, sondern weil er von völlig unnötigem Geschwätz benebelt wurde. Hoffentlich ist der Fremdenführer dann ein anderer, oder dieser hier hält den Mund. Als er noch einmal in seiner misshandelten Erinnerung kramt, fallen ihm dunkel ein paar Krippenimpressionen ein, São Rafael e Tobias , die von Machado de Castro sein sollen, die äußerst wertvollen Schatztruhen aus Limoges und insgesamt der Eindruck, dass es in der Schatzkammer der Kathedrale viele wertvolle Dinge zu sehen gibt, die sehr vorteilhaft präsentiert werden. Der Reisende hätte nichts dagegen, nach einer Einführung ins Nötigste hier einmal selbst für einen Monat Fremdenführer zu sein. Eine Tugend wenigstens besäße er dafür schon, wenn vielleicht auch andere nicht: Er würde nicht so viel Unsinn erzählen.
    Am nächsten Tag verlässt der Reisende Viseu. Und zwar schlecht gelaunt. Er hat schlecht geschlafen, weil das Bett schlecht war, ihm war kalt, weil die Heizung nicht funktionierte, und er hat so viel bezahlt, als wäre alles in Ordnung gewesen. Der Name Grão-Vasco allein zählt nur, wenn man gut malen kann.
    Aber die Straße nach Castro Daire ist sehr schön. Versöhnt mit

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