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Die Portugiesische Reise (German Edition)

Die Portugiesische Reise (German Edition)

Titel: Die Portugiesische Reise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: José Saramago
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versteckten und Zeichen dorthin setzten, zum Beispiel malten sie eine Katze auf den Stein. »Aber wenn die Spanier lange hier waren, dann war alles zugewachsen, und wenn die Leute dann ihr Geld suchten, konnten sie die Katze nicht mehr finden. Hier liegen überall Schätze.« Das Mädchen lächelt zweifelnd, sie gehört ja auch zu einer anderen Generation. Aber die Alte redet weiter: »Heute ist das ein kleiner Ort. Aber wissen Sie, Escarigo war mal eine richtige Stadt, die Hauptstadt von diesen ganzen Dörfern hier.« Da mischt sich das Mädchen ein. Sie lächelt noch immer, jetzt aber anders, als koste sie bereits die Wirkung aus, die ihre Worte machen sollen: »Man sagt sogar, Escarigo wäre um Haaresbreite Lissabon geworden.« Der Reisende lächelt und verabschiedet sich, während er über die Bedeutung eines Haares nachdenkt, wie wenig es wiegt, und nur deswegen ist Escarigo Escarigo.
    Er fährt noch einmal durch Almofala, sieht ein Mahnmal, das an den Tod eines Grenzbeamten erinnert, bestimmt hatte er etwas mit Schmugglern zu tun, die gibt es in dieser Gegend zuhauf. Es ist nicht mehr weit bis Figueira de Castelo Rodrigo, aber zuerst muss der Reisende zum Convento de Nossa Senhora de Aguiar bzw. zur Kirche, denn die ist alles, was davon noch übrig ist. Sie ist wie alle stark restaurierten Gebäude ziemlich ausdruckslos, was in diesem Falle noch durch die völlige Kahlheit im Innern verstärkt wird. Die gotische Einfachheit gibt nicht viel her, aber in der Sakristei steht eine sehenswerte Nossa Senhora de Aguiar aus Marmor, die noch Spuren von goldener, blauer und roter Farbe erkennen lässt. Die Jungfrau trägt eine Krone und hält in der linken Hand ein zerbrochenes Rad, das der Fremdenführer, in seinen Erklärungen nicht sehr firm, Maschinengewehr nennt, eine Waffe, mit der die Senhora de Aguiar angeblich dabei geholfen habe, die Spanier zu vertreiben, in einer Schlacht, die gewiss nicht die von Aljubarrota gewesen sein kann. Es ist im Übrigen schwer zu glauben, dass eine Dame, deren Gesicht und Gesten so sanft sind, in der Lage ist, tödliche Salven gegen Menschen abzufeuern, deren Ergebenheit gegenüber der Jungfrau Maria niemals hinter der der Portugiesen zurückstand.
    In Figueira de Castelo Rodrigo isst der Reisende zu Mittag. Dann besichtigt er die Pfarrkirche, die einen Besuch wert ist wegen der musizierenden Engel auf dem Hauptaltar und vor allem wegen des Bogens, der den Chor stützt, der sich aus s-förmigen Steinen zusammensetzt und als einzigartig im ganzen Land gilt. Es ist tatsächlich das Ei des Kolumbus: Jedes einzelne Element ist so in das nächste eingefügt, dass nur die Schwerkraft den Bogen zusammenhält. Sicherlich liegt dieses Prinzip auch ähnlichen Konstruktionen mit keilförmigen Elementen zugrunde, aber dieser Bogen macht einen sehr viel stabileren Eindruck. Merkwürdig, dass diese Technik nicht weiter verbreitet ist.
    Castelo Rodrigo liegt ganz in der Nähe auf einer Anhöhe, aber der Reisende fährt erst einmal nach Escalhão, das an der Straße nach Barca de Alva liegt. Er erwartet ein verlorenes Dörfchen und kommt in ein recht ordentliches Städtchen mit breiten Straßen und hohen Bäumen auf dem Marktplatz. Der Schlüssel zur Pfarrkirche befindet sich beim Prior und wird ihm anstandslos ausgehändigt: kein Vergleich zu den in Escarigo erforderlichen Herkules-Taten. In die Sakristei, wo an der Decke schöne Freskenmalereien zu sehen sein sollen, erhält der Reisende keinen Einlass, aber er hat genug Zeit, sich die Kirche gründlich anzusehen, ein weiträumig geschnittenes Bauwerk aus dem 16. Jahrhundert, das diverse kostbare Kunstwerke beherbergt. Zum Beispiel eine Gruppe barocker Skulpturen, in der Engelsköpfe ein Piedestal für die Jungfrau Maria und die heilige Anna bilden, die wie in ein Gespräch vertiefte Nachbarinnen dargestellt sind, jede auf ihrem Bänkchen, in dekorative Gewänder gekleidet. Und dann Petrus, dessen betrübtes Gesicht zeigt, wie viel Kummer seine Seele bedrückt, und zu seinen Füßen der Hahn, der kräht wie ein Weltmeister, ein Naturalismus, angesichts dessen sich ein Lächeln kaum verkneifen lässt. Aber das wirklich Großartige in der Kirche von Escalhão sind die beiden flämischen oder zumindest flämisch anmutenden Flachreliefe in tiefen Farbtönen, die den Aufstieg zum Kalvarienberg (auf einer zweiten Ebene wird Jesus ausgepeitscht) und die Grablegung Jesu darstellen. Besonders an Letzterem sind die Falten des Leichentuches bemerkenswert

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