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Die Portugiesische Reise (German Edition)

Die Portugiesische Reise (German Edition)

Titel: Die Portugiesische Reise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: José Saramago
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abgehoben, auf dass keine Zweifel über die himmlische Moral mehr bestehen: Endlich sieht man, dass es Engel beiderlei Geschlechts gibt, womit diese alte und absurde Frage endlich, ein für alle Mal, geklärt wäre. Der Körper wird hier glorifiziert. Es ist zwar nur ein halber Körper, aber die Versuchung ist ganz.
    All das ist Grund genug, den Reisenden auf seinem Weg nach Lamego melancholisch zu stimmen. Und sogar der Himmel beschließt, ihm beizustehen, und bedeckt sich mit grauen, feuchten Wolken. Nach kurzer Zeit fällt ein leichter Sprühregen, der kaum den Boden erreicht, ein gazeartiger, feiner Schleier, der sich über die Berge legt, die zwar nicht unsichtbar, aber doch schlecht zu erkennen sind. Da herrscht wohl großes Durcheinander unter den Gestirnen, denn ein Stück weiter scheint die Sonne, und in Lamego ist von Regen keine Spur. Der Reisende sucht sich eine Unterkunft und sieht sich im Ort um.
    Lamego ist eine ruhige, friedliche Kleinstadt mit freundlichen, hilfsbereiten Menschen. Als der Reisende sich nach der Igreja de Almacave erkundigen will, sind im Nu drei Auskunftswillige zur Stelle, deren Beschreibungen glücklicherweise übereinstimmen. Eine Information, die ihn sehr traurig stimmt, hat er bereits erhalten, nämlich dass das Museum nicht geöffnet ist, weil dort seit mehr als einem Jahr Bauarbeiten durchgeführt werden. Und in seinem Verdruss beschließt er, sich die Kathedrale für morgen aufzusparen und sich mit einem Gang in die Oberstadt, die Almacave, aufzuheitern, zumal sie auf seinem Weg liegt. Das war eine gute Idee, weniger wegen großartiger Kunstwerke, denn über ein Mittelmaß reichen sie nicht hinaus, sondern wegen eines großartigen Mannes mittleren Alters, der zwar noch stehen kann, aber offenbar benommen vom Wein ist und ihn fragt: »Sind Sie von hier?« Der Reisende meint sofort zu erkennen, mit wem er es zu tun hat, und antwortet geduldig: »Nein, ich bin zu Besuch.« »Dachte ich mir doch. Sagen Sie mal, haben Sie schon ein Hotel? Sie sehen so deprimiert aus, dass ich dachte, Sie suchen bestimmt ein Zimmer.« Der Reisende antwortet: »Nein, nein, ich habe ein Hotel. Dass ich deprimiert aussehe, hat andere Gründe.« »Warum schlafen Sie nicht bei mir? Ich habe ein sauberes Zimmer, das Bett frisch bezogen, macht alles meine Frau.« »Vielen Dank für die Einladung, aber wie gesagt habe ich schon ein Zimmer.« »Ist doch egal. Sie sparen Geld und wohnen bei netten Leuten.« Hier macht der Mann eine Pause, sieht den Reisenden an und sagt: »Ich weiß, ich bin betrunken, das ist der Wein, aber das Angebot ist ernst gemeint.« »Das glaube ich Ihnen gern«, antwortet der Reisende, »und ich danke Ihnen sehr. Dass ich nach Lamego komme und jemanden treffe, der mir ein Dach über dem Kopf anbietet, ohne mich zu kennen, damit hätte ich nie gerechnet.« Der Mann hält sich an einem Straßenschild fest und sagt nur: »Ich glaube an Gott.« Der Reisende bedenkt die Bedeutung der Aussage und erwidert: »Einige glauben an Gott, andere nicht, aber das Wichtigste ist, dass sie sich untereinander als Menschen verstehen.« »Ja, dass sie sich als Menschen verstehen«, wiederholt der Mann. Und nachdem er eine Zeit lang nachgedacht hat, fügt er hinzu: »Ist ja auch egal. Manche, die nicht an Gott glauben, sind besser als andere, die an ihn glauben.« Er gibt dem Reisenden die Hand und geht weiter die Straße hinunter, betrunken, wie er ist. Dies geschah in Lamego, und der Reisende geht die Straße weiter hinauf, so klar im Kopf, wie man nur sein kann.

Der Gartenkönig
    Während der Nacht regnet es, kein Sprühregen wie am Nachmittag, sondern ein ordentlicher Guss. Der Morgen ist dann wolkenlos, und die Sonne scheint. Vielleicht hält sich der Reisende deswegen nicht lange in der Kathedrale auf. Die zurückhaltend manuelinische Fassade gefällt ihm, die Anordnung des Portikus, dass er groß, aber nicht überwältigend ist, die Architektur im Innern allerdings empfindet er als kalt. Wenn dieses Nasonis Werk ist, wie angenommen wird, dann ist es in einer uninspirierten Phase entstanden. Sehr gelungen sind nach Meinung des Reisenden die prunkvollen Verzierungen der Gewölbe, deren perspektivische Architektur und Durchbrüche, die wirklich herrliche Farbigkeit der dargestellten biblischen Szenen. Der Kreuzgang ist klein und versteckt, er lässt eher an flüsternde Hoffräulein denken als an dramatische religiöse Meditation.
    Die nächste Station ist der Santuário da Nossa Senhora dos

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