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Die Portugiesische Reise (German Edition)

Die Portugiesische Reise (German Edition)

Titel: Die Portugiesische Reise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: José Saramago
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Fleischgeschmack zurückkehrt, um damit dem Gaumen in Erinnerung zu bleiben. Und da ein Gutes niemals allein kommt, bedient ihn ein ernst blickender Kellner, dessen Gesicht, wenn er lächelt, zum glücklichsten Gesicht der Welt wird – und er lächelt viel. Die Stadt Tomar sollte diesem Mann ihre höchste Auszeichnung oder Ehrung an die Brust heften. Im Gegenzug müsste sie sich mit seinem Lächeln begnügen, aber damit wäre sie sehr gut bedient.

Wasser- und Feuerkunst
    Als der Reisende erwacht, öffnet er das Fenster. Er möchte die Frische der Bäume von Mouchão atmen, der hohen Pappeln, der Buchen mit grünweißen Blättern. Derjenige, der die Sandfläche, die hier im 19. Jahrhundert war, so verwandelt hat, muss auch einen Orden bekommen. Wie man sieht, schickt sich der Reisende an, alle auszuzeichnen, die es verdient hätten.
    Das Kloster liegt dort oben, er muss es sich ansehen. Doch als Erstes an diesem Tag widmet der Reisende sich der eingehenden Betrachtung des Bewässerungsrades, so auffällig, dass jeder, der hier vorbeikommt, es schon en passant ansieht und es, falls er zufällig zu Besuch ist, vielleicht nur für eine dekorative Plastik hält oder für ein vorsichtshalber außer Betrieb genommenes Spielgerät für Kinder. Als Tischlerarbeit ist es der perfekteste Mechanismus, den der Reisende je gesehen hat. Die Leute nennen es Maurenrad, wie es in unserem Land üblich ist, wenn man Dinge anders nicht zu erklären weiß, doch ersonnen haben es die Römer, sagen die Experten. Was der Reisende nicht weiß, ist, wann es gebaut wurde, doch widerstrebt ihm zu glauben, dass dieses Rad seit dem 4. oder 5. Jahrhundert Rad ist. Weit wichtiger, als zu wissen, ob es maurisch oder spätrömisch ist, wäre, in Erfahrung zu bringen, wann und warum die Kunst und die Technik dieser Konstruktionen, denn beider bedürfen sie, verschwunden sind. Ein jeder hat seine Vorlieben: Der Reisende hat diese für Arbeitsgeräte, kleine Kunstwerke, an denen Spuren der Hände derjenigen hängengeblieben sind, die sie hergestellt und benutzt haben.
    Der Weg zum Kloster ist angenehm, mit schönen schattigen Bäumen. Rechts ab führt eine kleine Allee zur Kirche Nossa Senhora da Conceição, die er sich gern angesehen hätte, um sich zu überzeugen, ob ein Renaissance-Stil mit einem Beiklang von Romanismus, der für diesen Betrachter immer ein Synonym für Kälte war, tatsächlich so warm sein kann, wie behauptet wird. Doch dazu wird es dieses Mal nicht kommen – die Kirche ist nur am Sonntag geöffnet, und der Reisende kann nicht sein Zelt vor der Tür aufschlagen und warten, bis es Sonntag wird.
    In den Klostergarten gelangt man auf einem gepflasterten Weg, der sich um die Anhöhe windet, auf der die nach Osten ausgerichtete Mauer ruht. Der Reisende steigt ihn geruhsam hinauf, ein wenig gleichgültig gegenüber den Blumenbeeten und Umrandungen mit feinem Kies. Er ist nicht radikal dagegen, doch fragte man ihn nach seiner Meinung, so würde er für etwas anderes stimmen: Seiner Meinung nach sollte zwischen der Einfassung und dem Eingefassten eine direkte Beziehung bestehen, die in erster Linie wesentliche Gemeinsamkeiten berücksichtigt. Das Nebeneinander von verschiedenen Elementen sollte die Ähnlichkeit respektieren. Solche Überlegungen mögen auf dem Vorplatz einer Burg unangemessen sein, doch der Reisende entwickelt lediglich Gedanken, die ihm bei dem, was er sieht, kommen, und das tun alle Menschen, wenn sie im Gehen sich selbst beobachten.
    Da ist das Portal von João de Castilho, eine der herrlichsten Steinmetzarbeiten, die je in Portugal entstanden ist. Genau genommen eine Skulptur, dieses Portal, oder einfach nur eine Statue, mit Worten kann man es nicht erklären. Es reicht auch nicht, nur einfach hinzusehen, denn auch das Auge muss lernen, die Formen zu lesen. Es lässt sich nicht in etwas anderes übersetzen. Ein Sonett von Camões kann man nicht in Stein übertragen. Wer vor diesem Portal steht, kann nur noch schauen, die einzelnen Elemente seinem Wissen entsprechend identifizieren, Fragen stellen, um seine Wissenslücken zu füllen, doch das muss jeder Reisende für sich allein tun, ein Einzelner kann nicht für alle sehen und es allen erklären. Ein Führer wäre eine gute Hilfe, sofern er nicht so wie dieser hier Überdruss und Desinteresse erkennen ließe, was den empfindsamen Reisenden ebenso kränkt, wie es das beleidigt, was es zu zeigen gibt. Doch der Reisende will verständnisvoll sein: Schließlich ist der

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