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Die Portugiesische Reise (German Edition)

Die Portugiesische Reise (German Edition)

Titel: Die Portugiesische Reise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: José Saramago
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Wenn Diogo de Torralva hier drin so weit gegangen ist, dann muss der Reisende die Begriffe kalt und trocken, die er so freiheraus verwendet hat, wohl überdenken. Doch fehlt ihm die Courage, kommen Sie am Sonntag vorbei, ich kann nicht, ich muss gleich abreisen, tja, dann hilft es nichts.
    Der Reisende fährt weiter gen Westen. Unterwegs begegnet ihm das Aquädukt von Pegões Altos, ein Beweis, dass Nützlichkeit und Schönheit einander nicht ausschließen: Die Reihe der sich wiederholenden Bögen mit vollkommener Rundung über breiteren, gebrochenen Bögen reduziert die Monumentalität des Bauwerks, macht es weniger gewaltig. Mit einem Kunstgriff hat der Architekt ein Pseudoaquädukt geschaffen, auf dem das tatsächlich wasserführende ruht.
    Ourém liegt hoch oben auf einem Hügel. Dieses ist das alte Städtchen, einer der meistmissachteten Orte, die der Reisende je gesehen hat. Man weiß, dass die Wirtschaft sich in der Ebene entwickelt, Gewerbe, Handel, keine Zugangsprobleme, doch gibt es Menschen, die beharrlich in dem verlassenen Ort leben, und die Gründe für solches Beharren sollten berücksichtigt und respektiert werdet. Das Sterben von Orten wie Ourém ist nicht unvermeidbar. Von Übel ist die Auffassung, man solle einen Blick auf die alten Steine werfen und dann weiterfahren. In Ourém Velha gibt es viele Gründe, das Städtchen neu zu beleben: die Anhöhe, auf der es sich erhebt, die noch aus dem 16. Jahrhundert stammende Stadtanlage, der einzigartige Palast, der den steilen Berg krönt, mehr als genug Gründe, dass die heutige Vernachlässigung nicht morgen zu Zerstörung wird. Mögen die Steine erhalten werden und die Menschen geschützt.
    Der Zufall will es, dass der Reisende den längsten Weg zum Palast nimmt. Und das war ein Glück. So kann er den ganzen Ort umrunden, die verlassenen Häuser sehen, manche nur noch Ruinen, bei anderen die Fenster zugenagelt, und Kapellen am Wegrand nackt, ohne Heiligenfiguren, selbst Spinnen verkümmern da. Auf den oberen Teil des Berges haben sich die letzten Einwohner zurückgezogen, da erst herrscht etwas Leben, Kinder spielen, ein Restaurant mit törichten heraldischen Ansprüchen, geschlossen zur Erleichterung des Reisenden, der edler Herbergen und ähnlicher Phantasien inzwischen überdrüssig ist.
    Der Palast, von dem kaum mehr übrig ist als die Türme, muss von Riesen gebaut worden sein. Zwar könnte ein Volk von Liliputanern Stein auf Stein einen Turm errichten, der bis in den Himmel reicht, aber diese Türme, die so weit gar nicht hinauswollen, erwecken den Eindruck, dass sie nur von langen Armen und dicken Muskeln gebaut worden sein können. Kräftige Handwerker waren das fraglos, dass sie einen so originellen Bau errichteten, mit diesen Spitzbögen, diesen Ziegelverzierungen, die den Eindruck eines Massivs, der sich einstellen will, sogleich auflockern. Angeblich waren es Juden aus dem Maghreb, dieselben, die dann die Synagoge in Tomar bauten und die Krypta für Dom Afonso, die der Reisende noch besichtigen wird. Er denkt an den Christus von Aveiro, vermutlich von Maurenhand geschaffen, wirft in denselben Topf Neu-Christen und konvertierte Araber, schaut zu, wie das Ganze schmort, die Traditionen, die neuen Glaubensbekenntnisse, auch die Widersprüche zwischen ihnen, und sieht allmählich unterschiedliche Kunstformen aufkommen, plötzliche Abwandlungen, leider integriert, bevor sie sich ganz entwickeln konnten. In Tomar die Synagoge, in Ourém diese Krypta und das Grab darin, dazu der Palast – wenn wir tief eintauchten in die Umstände der Zeit, den Ort und die Menschen, wohin würde uns das führen, fragt sich der Reisende, als er den steilen Weg wieder hinuntergeht, der ihn in die Ebene zurückbringt.
    Es sind viele Kurven und Schleifen bis nach Fátima. Sicherlich gibt es einen direkteren Weg, doch weil er von dort kommt, wo er herkommt, einer Mischung von Mauren und Juden, nimmt es nicht wunder, dass ihm die Strecke lang erscheint. Heute ist der riesige Vorplatz öde und leer. Nur ganz im Hintergrund, neben der Capela das Aparições, haben sich ein paar Menschen versammelt, und kleine Gruppen kommen und gehen. Eine Nonne mit aufgespanntem Sonnenschirm tritt wie aus dem Nichts ins Blickfeld des Reisenden und verschwindet plötzlich, als wäre sie ins Nichts zurückgekehrt. Der Reisende hat seine Ansichten, und die erste ist, dass hier die Ästhetik dem Glauben keinen guten Dienst erwiesen hat. Was nicht verwunderlich ist in diesen skeptischen

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