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Die Portugiesische Reise (German Edition)

Die Portugiesische Reise (German Edition)

Titel: Die Portugiesische Reise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: José Saramago
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Zeiten. Die Erbauer des bescheidensten romanischen Kirchleins wussten, dass sie das Haus Gottes errichteten; heute werden ein Auftrag ausgeführt und Vertragsbestimmungen erfüllt. Der Kirchturm hinten weiß nicht so recht, wo er enden soll, die Säulen sind weder proportioniert noch harmonisch, nur der Glaube kann Fátima retten, nicht die Schönheit, denn die besitzt es nicht. Der Reisende, der ein hartnäckiger Rationalist ist, auf dieser Reise jedoch schon so manches Mal wegen eines Glaubens, den er nicht teilt, innerlich bewegt war, möchte auch hier etwas empfinden. Doch er verlässt den Ort ohne Schuldgefühle. Und protestiert eine Weile aus Empörung, Verletztheit und Verärgerung über die Geschäftemacherei der zahllosen Stände, die zu Millionen Medaillons, Rosenkränze, Kruzifixe, Miniaturen der Kirche, kleine und große Figuren der Heiligen Jungfrau verkaufen. Der Reisende ist letztlich ein tiefreligiöser Mensch, schon in Assisi hatte ihn der kaltblütig fromme Handel schockiert, den die Mönche hinter ihren Tresen betreiben.
    Der Reisende hat nichts gegen Höhlen. Er weiß sehr wohl, dass seine Vorfahren darin gelebt haben, nachdem sie es leid waren, von Baum zu Baum zu hüpfen. Und um ganz offen zu sein, so wie feststeht, dass er einen schlechten Menschenaffen abgegeben hätte, weil er Höhenangst hat, wäre er ein ausgezeichneter Cromagnon, denn er leidet nicht unter Klaustrophobie. Dass der Reisende sich dies von der Seele spricht und die Abstammung seiner Spezies ausdrücklich anerkennt, hat mit diesen Höhlen zu tun, wo das Naturwunder der Kalkformationen in allen denkbaren Variationen von Stalaktiten und Stalagmiten, auf die sich alles reduziert, durch vielfältige Beleuchtung und geradezu irrwitzige Farben verhunzt wird, dazu im Hintergrund Musik von Wagner, und das an einem Ort, wo die Walküren große Mühe hätten, Pferde unterzubringen. Und dann noch die Namen, die man den verschiedenen Höhlen gegeben hat, die Krippe, die Unvollendete Kapelle, die Hochzeitstorte, der Brunnen der Tränen – der Gipfel an Scheußlichkeit. Was hätte sich der Reisende gewünscht? Eine einzige Lichtquelle nur, die den Stein am besten zur Geltung bringt; keine anderen Töne als das natürliche Geräusch des tropfenden Wassers; kein Wort, striktes Verbot, das, was hier ist, hinter einem Namen, der nicht zu ihm gehört, zu verbergen.
    Nun hat der Reisende das Bedürfnis nach einem längeren Abschnitt, in dem er nichts als Landschaft sieht. Er möchte sich entspannen beim Anblick der sanften Hügel, der von keinem Wind zerzausten Bäume und der Felder, die sich ohne größeren Widerstand bestellen lassen. Leiria wird er vorläufig umfahren. Hinter Gândara dos Olivais überquert er den Fluss Lis und fährt über das nun flache Land Richtung Norden. Unterwegs kommt er an Amor vorbei, was seltsam ist, denn amor , die Liebe, ist normalerweise in abwechslungsreicheren Gefilden zu Hause. Der Tag ist strahlend, flimmernd vor Licht, es riecht schon nach dem Meer. In Vieira de Leiria gibt es eine Kirche Santa Rita de Cássia aus dem 17. Jahrhundert, die der Reisende sich ansieht, weil sie auf seinem Weg liegt, doch ist sie schon für sich einen Besuch wert. Und dort nun dehnt sich der Strandort Praia de Vieira, nach Süden hin ganz offen, und gleich oberhalb davon die Mündung des Lis. Auf dem Strand warten Fischerboote mit hochgezogenem, geschwungenem Bug, die langen Riemen über Kreuz gelegt, auf eine günstige Tide und einen hoffentlich guten Fang.
    Und dort sind die Pinienwälder von Leiria, jene, die der König Dom Dinis als die grünen Pinien besungen hat, die Pinien der naus und Karavellen der Seefahrer, das fragile Holz, das sich in so weite Fernen gewagt hat. Von Praia de Vieira nach São Pedro de Muel führt eine einzige Straße zwischen Bäumen, eine unendlich lange Gerade, die sich schließlich zum Meer hinwendet, von dem sie sich schon fast entfernt hatte. Der Anblick von São Pedro de Muel zu dieser Stunde, mit seinen menschenleeren Stränden, der starken Brandung, vielen geschlossenen Häusern in Erwartung des Sommers, der vielleicht nicht so schönes Wetter wie dieses bringen wird, die ganze Atmosphäre wirkt auf den Reisenden beruhigend. Und in dieser Stimmung erkundigt er sich, ob es nicht einen Weg nach Marinha Grande gebe, auf dem er noch länger den Wald genießen könne. Man sagt ihm, doch, ja, den gebe es, aber garantiert werde er sich verfahren. Er ist das Risiko eingegangen, hat sich verfahren,

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