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Die Portugiesische Reise (German Edition)

Die Portugiesische Reise (German Edition)

Titel: Die Portugiesische Reise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: José Saramago
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wenden, kann er das ganz einfach tun und zu ihr sprechen, als unterhielte er sich mit einer Bekannten, die er zufällig getroffen hat, doch dürfte die Feierlichkeit des Gebets und seine Wirkung sicherlich darunter leiden. Großartig sind die Malereien aus dem 16. Jahrhundert in der einen Kapelle und gleichfalls sehr schön die Azulejos in der Kapelle Senhor dos Passos, die das Leiden Christi darstellen. Und wenn wir schon von Azulejos sprechen, seien auch die im Kreuzgang erwähnt, mit Szenen aus dem Leben des Frei Aleixo de Meneses, der es zwar nicht zum Heiligen gebracht hat, aber die Mönche erbaute, wenn sie im Kreuzgang auf und ab gingen. Am Ausgang grüßt der Reisende drei Frauen, die unter dem Vordach mit Besen und Wischtüchern großes Putzen veranstalten, und sie antworten so höflich, dass er mit dem Gefühl davongeht, er wäre dreimal gesegnet worden.
    Das Museu Municipal ist nicht üppig, zeigt aber gern, was es besitzt. Und es besitzt ein paar schöne Tafelbilder aus Werkstätten der Region, vom Reisenden mit Worten gelobt, die bei dem jungen Angestellten, der ihm Auskunft gab, auf offene Ohren treffen. Höchst bemerkenswert ist eine vermutlich spanische Holzskulptur des toten Christus. Dieser nahezu lebensgroße und realistisch, wenn auch nicht dramatisiert dargestellte Christus zählt zu den schönsten Stücken seiner Art, und deren sind nicht viele, denn wenn es ein Gebiet der sakralen Kunst gibt, in dem die Banalität Einzug gehalten hat, dann ist es dieses. Umso höher ist der Christus von Torres Vedras zu bewerten.
    Schließlich macht sich der Reisende, noch immer vom Segen der drei Scheuerfrauen gestärkt, auf den Weg, doch schon bald muss er feststellen, dass der Wirkungsradius des Segens gefährlich klein ist für jemanden, der nicht auf andere Weise geschützt unterwegs ist. Es geschieht, dass der Reisende in Turcifal eine enorm hohe Kirche aufragen sieht, auf einem Platz, zu dem man über steile Treppen gelangt, sofern man gute Beine hat. Das hohe Bauwerk weckt die Neugier des Reisenden, weshalb er sich auf die übliche Schlüsselsuche macht. Eine barmherzige Frau hinter einem Tresen beauftragt einen kleinen Sohn, den Reisenden in eine Straße in der Nachbarschaft zu führen. Der Reisende nutzt die Gelegenheit zu dem Geständnis, dass er kein Talent hat, mit Kindern zu reden. Was er in Turcifal wieder einmal beweist. Da geht dieser kleine Junge, vom Spielen losgerissen, und begleitet einen Fremden, der Reisende könnte sich zumindest mit dem Jungen unterhalten. Tut er aber nicht. Er wirft eine Frage hin, auf die der Junge klugerweise nicht antwortet, und dabei bleibt es dann. Zum Glück liegt das gesuchte Haus nicht weit weg.
    Hätte es doch weit weg gelegen, dann wäre der Reisende vielleicht müde geworden und hätte es aufgegeben. »Hier«, sagt der Kleine. Der Reisende klopft einmal, klopft zweimal, und nach dem dritten Klopfen öffnet sich vorsichtig ein Türspalt, und das Gesicht einer strengen alten Frau erscheint: »Was möchten Sie?« Der Reisende sagt seinen üblichen Spruch, von weit her gekommen, auf Besichtigungstour, es wäre ein großes Entgegenkommen usw. Darauf der Türspalt: »Ich habe keine Anweisung. Den Schlüssel gebe ich nicht her. Gehen Sie den Priester fragen.« Was für ein harscher Ton, Herr im Himmel. Der Reisende gibt nicht auf, er fühlt sich im Recht, man hat ihm versichert, der Schlüssel befinde sich hier, doch mitten im Satz wird ihm die Tür vor der Nase zugeschlagen, zum ersten Mal passiert ihm das. Turcifal hat nicht das Recht, dem Reisenden so eine Schmach anzutun. Er geht seine Empörung mit einem Kaffee besänftigen, der ihm zu dieser Morgenstunde nur Sodbrennen verursachen wird, und überlegt lange, ob er zum Pfarrhaus laufen oder Turcifal den Rücken kehren soll. Er sieht sich schon im Geiste am Ortsausgang theatralisch den Staub von den Schuhen klopfen, doch dann denkt er daran, wie freundlich die erste Frau war und wie vernünftig der Junge, also geht er zum Priester. Große Überraschung! Die Alte ist bereits da, heftig gestikulierend und mit vielen Worten erklärt sie ihre Geschichte der Haushälterin des Priesters oder einer Verwandten von ihm, das weiß der Reisende nie, und als er dazukommt, merkt er, dass die alte Frau erschrocken zurückweicht, als wäre er der Leibhaftige. »Was habe ich bloß getan?«, fragt er sich. Nichts hat er getan, und alles klärt sich auf. Diese arme Frau ist, während sie Besuchern die Kirche zeigte, zweimal

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