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Die Portugiesische Reise (German Edition)

Die Portugiesische Reise (German Edition)

Titel: Die Portugiesische Reise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: José Saramago
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Azulejos aus dem 18. Jahrhundert, mit denen die Seitenwände in halber Höhe sozusagen zum Schutz ausgekleidet sind, und im Eingang, oberhalb der Wandverkleidung im Diamantspitzenmuster. Obwohl der Reisende schon so viele Azulejos gesehen hat, wird er diesen Eindruck nicht vergessen. Und die Taufkapelle linker Hand vom Eingang ist wahrhaftig ein Ort der Initiation, so intim und abgeschirmt von den Eltern, Paten und Gästen findet die Taufzeremonie statt.
    An Bildwerken hat São Quintino nicht viel zu bieten. Neugierig gemacht hat den Reisenden jedoch ein Gemälde in der Sakristei, das zweifellos die Jungfrau Maria und das Jesuskind zeigt, allerdings beide ohne Glorienschein, und das Jesuskind ist nicht wie üblich ein Säugling, hier ist es schon fünf oder sechs Jahre alt und hat ein verkrampftes, unschuldiges Lächeln, das viel älter ist. Der Maler hat die Anatomie nicht sicher genug beherrscht. Der Körper der Jungfrau versinkt in ihrer Bekleidung, der rechte Arm des Jesuskindes ist viel zu kurz, sein Kopf sitzt scheinbar nicht an der richtigen Stelle, doch der ungemein intensive Ausdruck in beider Blick macht die Schwäche des Werkes wett, das im Übrigen auch wegen der Farbe und anderer Aspekte sehr interessant ist. Vermutlich ist das Gemälde nicht sehr wertvoll, doch dem Reisenden hat es gefallen, vielleicht weil es ihm in seiner figürlichen Einfalt rätselhaft schien oder weil seine scheinbare Schlichtheit Fragen aufwirft. Es gibt weit mehr »Gesichter mit drei Nasen«, als man meint.
    Der Reisende fährt nach Dois Portos, kann dort aber nicht landen. Die Kirche oben auf dem Hügel ist geschlossen, und nur der Priester hätte die Herausgabe des Schlüssels genehmigen können. Der Reisende verhandelt lange an der Tür des Pfarrhauses, doch es muss wohl einer jener Tage sein, an denen er wie ein Straßenräuber aussieht, denn was er auch an Interesse und Dringlichkeit anführt, auf alles entgegnet die Haushälterin (falls es eine ist, wenn nicht eher eine Verwandte) mit höflicher, aber entschiedener Ablehnung, hinter der sich deutlich die Angst zu verbergen sucht, der Reisende sei tatsächlich der Langfinger, für den sie ihn offensichtlich hält. Der Reisende bedauert, dass er die maurische Decke und den heiligen Petrus aus dem 16. Jahrhundert nicht sehen kann. Wenn sich der Zustand des Kranken, zu dem der Priester angeblich gegangen ist, dank des geistigen Beistands gebessert hat, dann sei die Enttäuschung vergeben. Wenn aber der Kirchenschlüssel die Tür zum Tod nicht verschlossen hat, dann waren alle Verlierer: der Priester, weil er sich vergeblich auf den Weg gemacht, der Kranke, der sein Leben verloren hat, und der Reisende, dem der Kunstgenuss versagt geblieben ist.
    Bis Torres Vedras kreuzt die Straße immer wieder den Rio Sizandro und die Eisenbahnlinie, mal als Brücke, mal als Bahnüberführung. Die Landschaft ist unverändert schön und sanft. Torres Vedras liegt am Rand der großen geologischen Verwerfungen dieses Teils der Estremadura. Nach Westen und Nordwesten hin fällt das Gelände ganz allmählich zur Küste hin ab, doch nach Osten und Nordosten erheben sich die Berge, die stufenweise bis zur Serra de Montejunto hinaufführen.
    In Torres Vedras sieht sich der Reisende als Erstes den Brunnen Fonte dos Canos an. Er liegt direkt auf dem Weg, ihn zu übergehen wäre unangebracht gewesen. Die Konstrukteure im 14. Jahrhundert müssen große Hochachtung vor dem Wasser gehabt haben, dass sie ihm auf diese Weise huldigten, mit gut geschnittenen, schön geformten Spitzbögen, Kapitellen, die mehr als bloße Strukturelemente sind, und phantasievollen Speiern. Aber an diesem Tag läuft kein Wasser, vielleicht ist der Zulauf versiegt, oder man hat, nachdem er ins städtische Netz eingespeist wurde, nicht daran gedacht, ihn wieder dem uralten Austritt zuzuführen. Der Reisende bedauert das: Ein Brunnen, der nicht fließt, ist trister als eine Ruine.
    Ein Stück weiter kommt die Kirche São Pedro, wieder ein Portal mit manuelinischen und Renaissance-Elementen. Eine sehr schöne Steinmetzarbeit, doch São Quintino bleibt verdientermaßen, oder weil der Reisende sie zuerst gesehen hat, lebhafter in Erinnerung. Im Innern gibt es viel zu bewundern: die Ausschmückung der Bögen in dem am weitesten vom Eingang entfernten Feld, die grünweißen Azulejos, andere jüngeren Datums, im Stil Teppich und Diamantspitzen, der Sarkophag aus dem 16. Jahrhundert, dessen Korpus ein manuelinisches Tempelchen umgibt, die

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