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Die Portugiesische Reise (German Edition)

Die Portugiesische Reise (German Edition)

Titel: Die Portugiesische Reise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: José Saramago
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ersetzen könnten, der uns mehr am Herzen liegt), aber er erlebt den Park wie den Terreiro do Paço als eine leere weite, von heißem Wind versengte Fläche. Er geht ins Museum Calouste Gulbenkian, fraglos ein Musterbeispiel dafür, wie man die Museumswissenschaft in den Dienst einer nicht spezialisierten Sammlung stellen kann, die aus ebendiesem Grund auf hohem Niveau einen Überblick über die Entwicklung der Kunstgeschichte bietet.
    Der Reisende verlässt Lissabon über die Tejobrücke. Er fährt südwärts. Er sieht die hohen Pfeiler, die gigantischen Bögen des Aquädukts Águas Livres über den Fluss Alcântara und sinniert darüber, wie lange und verzweifelt Lissabon gedürstet haben muss. Seinen Durst nach Wasser gestillt haben Cláudio Gorgel do Amaral, der Stadtverwalter, der das Projekt initiierte, und die Baumeister Manuel da Maia und Custódio José Vieira. Vermutlich mit Rücksicht auf den italienischen Geschmack des Dom João V. wurden die Arbeiten zunächst von Antonio Canevari geleitet, allerdings nur für kurze Zeit. Das Aquädukt in Wirklichkeit aber gebaut und mit seinem Geld bezahlt hat die Bevölkerung von Lissabon. Das erkennt auch die lateinische Inschrift auf der Gedenktafel an, die damals am Bogen in der Rua das Amoreiras angebracht wurde: »Im Jahre 1748, unter der Herrschaft des frommen, glückreichen und großherzigen Königs Dom João V., brachten der Senat und das Volk von Lissabon der Stadt auf Kosten ebendieses Volkes und zu seiner großen Zufriedenheit das seit zwei Jahrhunderten ersehnte Aquädukt Águas Livres, und dieses nach zwanzigjähriger harter Arbeit beim Abtragen und Durchbohren von Hügeln auf der Länge von neuntausend Schritten.« Das war das Mindeste, was man sagen konnte, und selbst der hochmütige Dom João wagte nicht, die Wahrheit zu unterschlagen.
    Doch nur fünfundzwanzig Jahre später ordnete der Marquês de Pombal an, die Tafel zu zertrümmern, »dergestalt, dass die Existenz besagter Inschrift nicht mehr zu erkennen sei«. Und die Wahrheit wurde autoritär durch Täuschung, Betrug, Beraubung des Volkes seiner Arbeit ersetzt. Die neue, vom Marquês gutgeheißene Gedenktafel verfälschte die Geschichte so: »Während der Herrschaft von Dom João V., dem besten aller Könige, Wohltäter Portugals, wurde über solideste Aquädukte, welche auf ewig von Bestand sein werden und sich über neuntausend Schritte erstrecken, der Stadt sauberes und gesundes Wasser zugeführt, nachdem der Bau zu vertretbaren Kosten für den Staatshaushalt und zur allgemeinen Zufriedenheit erstellt wurde. Im Jahre 1748.« Alles wurde verfälscht, selbst das Datum. Der Reisende ist davon überzeugt, dass es das Gewicht dieser Tafel war, die schließlich dafür sorgte, dass Sebastião José de Carvalho e Melo, wie der Marquês eigentlich hieß, in die Hölle stürzte.

Schornsteine und Apfelsinen
    Vielleicht, weil er den Fluss überquert, denkt der Reisende daran zurück, wie er zu Beginn der Reise, vor so langer Zeit nun schon, über den Douro gefahren ist und zu den Fischen gesprochen hat. Damals ist er dem Menino Jesus da Cartolinha begegnet, einem liebenswerten Knaben, der auf der Seite der Mirandeser in die Schlacht zog und diese zwar nicht allein gewann, aber viel dazu beitrug. Dort oben auf dem Hügel steht der Cristo Rei, riesenhaft groß, wie es einer Majestät gebührt, doch bar jeder Schönheit. Der Reisende überdenkt, wie viele Orte und Menschen er schon gesehen hat, staunt darüber, welche Entfernungen er zurückgelegt hat, und auch darüber, wie weit der Weg von dem Jungen in Miranda zum Christus in Pragal ist.
    In dieser Region ist alles groß. Groß ist die Stadt und so schön, groß sind die Pfeiler, auf denen die Fahrbahn der Brücke ruht, und ebenso die Trossen, die sie halten. Und groß sind auch die Schornsteine längs des zerklüfteten Uferstreifens zwischen Almada und Alcochete mit ihren Luftströmen aus weißem, gelbem oder ockerbraunem, grauem oder schwarzem Rauch. Der Wind treibt sie davon, und die langen, zerzerrten Wolken ziehen nach Süden und Westen hin über das Land. Dies ist eine Gegend voller Schiffswerften und Fabriken, Alfeite, Seixal, Barreiro, Moita, Montijo, eine geschäftige Gegend, wo Metall quietscht, poltert und dröhnt, wo Gase und Dämpfe zischen, wo endlose Rohrleitungen den Fluss der Kraftstoffe lenken. Alles ist größer als die Menschen. Nichts ist so groß wie sie.
    Der Reisende nimmt sich vor, irgendwann, wenn er lange genug lebt, genauer in

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