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Die Portugiesische Reise (German Edition)

Die Portugiesische Reise (German Edition)

Titel: Die Portugiesische Reise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: José Saramago
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diametral entgegengesetzt in ihrem Aussehen, ihrer Sprache, der Art, wie man durch die Straßen geht oder aus dem Fenster lehnt, einer gewissen Hochmütigkeit, die es in der Alfama gibt, und dafür im Bairro Alto Frechheit. Mit Verlaub gegenüber allen, die im Bairro Alto wohnen und nicht die Spur Frechheit besitzen.
    Die Kirche São Roque liegt in der Nähe. Von außen würde man nicht viel auf sie geben. Im Innern ist es ein prunkvoller Raum, in dem es nach der bescheidenen Meinung des Reisenden schwierig sein dürfte, zu Gott von Armut zu sprechen. Man sehe sich zum Beispiel die Johannes dem Täufer geweihte Kapelle an, die der unvermeidliche Dom João V. in Italien in Auftrag gegeben hat. Ein Juwel aus Jaspis und Bronze, Mosaiken und Marmor, so unpassend wie nur möglich für den leidenschaftlichen Vorläufer, der in der Wüste predigte, Heuschrecken aß und Jesus mit normalem Wasser aus dem Fluss taufte. Aber nun ja, die Zeit vergeht, der Geschmack ändert sich, und Dom João V. hatte viel Geld zum Ausgeben, wie man aus der Antwort schließen kann, die er auf die Mitteilung hin gab, dass ein Glockenspiel für Mafra den astronomischen Betrag von vierhundert milréis kosten würde: »Ich dachte nicht, dass es so billig ist; dann will ich zwei.« In der Kirche São Roque kann man für jede Gelegenheit einen Schutzheiligen finden – sie ist vollgestopft mit Reliquien und zeigt Bildnisse nahezu des gesamten himmlischen Hofes in den beiden pompösen Reliquienschreinen rechts und links von der Hauptkapelle. Doch die Heiligen blicken nicht wohlwollend auf den Reisenden. Vielleicht haben solche Worte zu ihren Zeiten als ketzerisch gegolten. Aber da täuschen sie sich sehr – heute bedeuten sie, dass man verstehen möchte.
    Lissabon hat Ruinen nie gemocht. Entweder werden sie mit neuen Steinen repariert oder endgültig abgerissen, um darauf gewinnabwerfende Hochhäuser zu bauen. Die Carmo-Ruinen sind eine Ausnahme. Die Kirche sieht im Wesentlichen so aus, wie das Erdbeben sie zugerichtet hat. Ein paarmal war von Wiederaufbau und Restaurieren die Rede. Die Königin Dona Maria I. hat sich mit Bauarbeiten am weitesten vorgewagt, doch entweder ist das Geld ausgegangen oder das Interesse geschwunden, jedenfalls wurde kaum etwas hinzugefügt. Das ist auch besser so. Doch hat die Kirche, von Nuno Álvares Pereira Unserer Lieben Frau des Sieges geweiht, nach dem Erdbeben diverse Erbärmlichkeiten erlebt: Zuerst war sie Friedhof, dann öffentlicher Müllplatz und schließlich Pferdestall für die städtische Polizei. Nuno Álvares müssen, obwohl er selbst Reiter war, die Knochen gebebt haben, wenn er im Jenseits das Wiehern und Hufeklappern der Pferde hörte. Ganz zu schweigen von anderen bedürfnisbedingten Unehrerbietigkeiten.
    Heute schließlich ist die Ruine ein archäologisches Museum. Nicht von besonders reichhaltigem Bestand, aber historisch und künstlerisch wertvoll. Der Reisende bewundert den westgotischen Pilaster, den Renaissance-Sarkophag von Rui de Meneses und andere Exponate, auf die er nicht näher eingehen wird. Ein Museum, das aus vielen Gründen gefällt, denen der Reisende einen für ihn sehr wichtigen hinzufügt: Man sieht, wie das jeweilige Stück bearbeitet wurde, die Spuren der menschlichen Hand. Auch andere denken wie er, und das bereitet ihm die große Freude, sich nicht allein zu fühlen – auf zwei Stichen von Guilherme Debrie aus dem Jahre 1745, der eine von der Fassade des Klosters, der andere eine Seitenansicht, ist Nuno Álvares Pereira im höfischen oder erbaulichen Gespräch mit Edelleuten und Mönchen dargestellt, aber man sieht auch den Steinmetz bei der Arbeit, Lineal und Winkel fest im Blick, denn damit wurden die Klöster errichtet.
    Der Rundgang des Reisenden durch Lissabon nähert sich dem Ende. Viel hat er gesehen, und doch fast nichts. Genau wollte er hinschauen, vermutlich ist es ihm nicht gelungen. Diese Gefahr besteht bei jeder Reise. Er geht die Avenida da Liberdade hinauf, ein schöner Name, »Avenue der Freiheit«, den es zu erhalten und zu verteidigen gilt, wandert um den riesigen Sockel herum, auf dem die Statue des Marquês de Pombal steht mit einem Löwen, Symbol für Stärke und Macht, auch wenn manche böse Zungen behaupten, hier werde die wilde Bestie Volk gezähmt, die dem starken Mann zu Füßen liege und auf Befehl brülle. Der Reisende mag den Parque Eduardo VII. (eine Benennung, die wir, ohne Großbritannien zu nahe treten zu wollen, auch durch einen anderen Namen

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