Die Portugiesische Reise (German Edition)
in die Reinheit des Regens, der es wäscht, und der Sonne, die es trocknet und wärmt, inmitten seines kleinen Gartens, den die Stadt sorgsam hegt. Der Reisende wendet sich dem Wein zu, eine weitere, nicht minder bedeutende Berühmtheit der Gegend, er kauft ein paar Flaschen, um für zukünftige Gelüste vorzusorgen, und wirft einen Blick auf die Vergangenheit, in diesem Falle die Fassade der Capela da Misericórdia, die aussieht wie ein ans Tageslicht gebrachter Altaraufsatz. Die gewundenen Säulen, das geschnitzte Blattwerk, die botanische Kunst, all das entspricht gängigen Mustern, hält sich an Vorlagen, aber jedes Mal wieder ist es betörend, wenn Stein mit den Instrumenten eines Juweliers oder Goldschmiedes bearbeitet wird. Ein paar steinerne Vögel oben auf der Zinne haben die Köpfe abschätzig nach hinten gewandt, oder hat diese Geste eine geheime Bedeutung, die dem Reisenden unbekannt ist? Am wahrscheinlichsten ist es, dass sie über die Ungeduld des Reisenden lachen, der, nachdem er den Rio Tinhela überquert hat, in das Labyrinth der nicht weniger berühmten Kurven von Murça gerät, dieses Nicht-von-der-Stelle-Kommen, bei dem man sich Flügel wünscht, um sich in Luftlinie fortbewegen zu können. Endlich gelangt er nach Vila Real und, was ihm nach all den schlechten Straßen wie ein Privileg vorkommt, auf die Umgehungsstraße, eine Rennstrecke für Anlieger und Auswärtige. Das Leben ist voller Kontraste, und als der Reisende in die Stadt kommt, sieht er einen völlig übertrieben mit Voluten und Federn ausstaffierten Wappenstein, auf dem die barocken Verzierungen die Wappenelemente in den Hintergrund drängen. Dies ließe sich immer noch als Zeichen von Bescheidenheit deuten, wäre der Stein nicht so überdimensional groß, was wiederum den Steinmetz viel Mühe gekostet haben dürfte.
Casa Grande
Vila Real hat Pech gehabt. An dieser Stelle sollte sich der Reisende vielleicht besser erklären, sonst zieht er sich womöglich den Unmut der Einheimischen zu, die sich durch seine Äußerungen unverdient in Misskredit gebracht sehen könnten. Aber wirklich, was soll man über einen Ort sagen, in dessen Osten Mateus mit seinem prachtvollen Palast liegt, im Westen das Marãogebirge, im Süden das Tal des Corgo und parallel dazu ein anderes, durch das kein Fluss aus Wasser, sondern die Süße der Reben strömt? Einen Reisenden, der durch die Gegend kommt, lenken diese Attraktionen zwangsläufig ab. Dieser hier hat dazu noch ein ganz anderes Ziel, das aus dem Norden ruft: »Komm her!«, in einem Befehlston, dass der Reisende, als er aufwacht, sofort nervös wird, sich beeilt und schon wenige Augenblicke später unterwegs ist. Weder eine Goldmine noch ein geheimes Treffen erwarten ihn, aber dieser Morgen ist ein besonderer, die weißen Wolken, groß und hoch, und eine Sonne, die wie toll scheint.
Wenige Kilometer von Vila Real entfernt befindet sich Vilarinho de Samardã und gleich dahinter Samardã. Man möge es dem Reisenden verzeihen: Da kommt er von so weit her, hat das Privileg, sich solch illustre Dinge wie einen alten Palast, zwei Täler, von denen eines schöner ist als das andere, und ein sagenumwobenes Gebirge ansehen zu dürfen, und er hat nichts Besseres zu tun, als in zwei kleine ärmliche Dörfer zu eilen, nur weil dort Camilo Castelo Branco gelebt hat. Manche Menschen fahren nach Mekka, andere nach Jerusalem, viele nach Fátima, und der Reisende fährt nach Samardã. Diesen Weg nahm der wilde Castelo Branco, als er jung war, auf dem Rücken eines Pferdes oder auf einem Zweispänner. In Vilarinho verbrachte er, nach eigenem Bekunden, »die ersten und einzig glücklichen Jahre seiner Jugend«, und in Samardã trug sich die berühmte Geschichte mit dem Wolf zu, der, von fünf Schüssen getroffen, nicht aufgab, bis er auch die zweite Hälfte des Schafes verspeist hatte. Episoden aus Leben und Büchern, Grund genug für den Reisenden, das Haus in Vilarinho aufzusuchen und ein paar Frauen, die ihre Wäsche in einem Wassertank waschen, nach dem Weg zu fragen, woraufhin sie in eine Richtung zeigen, da vorne gleich. Da ist auch schon die Inschrift, gleich neben dem Türpfosten, aber dieses Haus ist ein Privathaus, es wird nicht lange dauern, bis jemand kommt. Der Reisende hat noch Zeit, auf das Summen der Bienen zu horchen und ein Stück am Haus entlangzugehen, die langen Veranden zu betrachten und sich wie ein Kind zu wünschen, dort zu leben, als eine Dame erscheint und sich nach seinem Anliegen
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