Die Portugiesische Reise (German Edition)
wohlbeschattet in der glühend heißen Sonnenhitze.
Wieder fährt der Reisende durch einsames, weites Land, auf halbem Weg zwischen der Grenze und dem Stausee Barragem do Caia. Er passiert das Dorf Nossa Senhora dos Degolados (dt.: Unsere liebe Frau der Enthaupteten), und dieser im Vorüberfahren wahrgenommene Name lässt den Reisenden darüber nachdenken, wie viele Geköpfte die Geschichte des Christentums bevölkern, dass man es für angebracht gehalten hat, ihnen eine eigene Muttergottes zu ihrem Schutz zu widmen. Der Reisende fragt sich nur, ob sie angerufen werden muss, bevor der Kopf abgeschlagen wird oder hinterher.
Hätte der Reisende Zeit, würde er nach Ouguela fahren, nicht so sehr wegen der Burg, die der König Dom Dinis wiederaufbauen ließ, sondern um zu erfahren, wie ein Fluss aussieht, der Abrilongo heißt, ob dieser April lang ist, weil er sich hinzieht, oder, weil er auf sich warten lässt. So aber hält er sich an Campo Maior, das ebenfalls eine Burg besitzt, auf Geheiß desselben Dom Dinis erbaut, und sieht sich die achteckige Kirche São João Batista an mit ihrem nach klassischem Muster bearbeiteten, dennoch nicht kalten Marmor, vielleicht weil die regionale Kirchenarchitektur selbst zu Zeiten Seiner Majestät des Königs Dom João V. nicht umhinkonnte, an ihre zivile Umgebung Zugeständnisse zu machen.
Durch das Stadttor Richtung Elvas fährt der Reisende weiter auf seinem friedlichen Weg, doch gleich hinter der Brücke über den Caia kommen ihm zwei Lastwagen mit bewaffneten Polizisten entgegen. Nicht alle Reisen sind gleich, und nicht alle Wege führen zum selben Rom.
Elvas ist reich an militärischem Gepränge. Das sieht man an den Stadtmauern, die es umgeben, und ebenso an den Forts Santa Luzia und Nossa Senhora da Graça, die die Hauptfestung unterstützen. Doch nicht nur mit kriegerischen Kämpfen schmückt sich die Stadt. Auch andere heroische Ereignisse fanden hier statt, worüber António Dinis da Cruz e Silva genauestens Bericht erstattet in seinem Hissope (dt.: Weihwedel), denn von nicht geringem Heldentum spricht der erbitterte Streit zwischen dem Dekan und dem Bischof der Kathedrale von Elvas darüber, ob der Weihwedel dem Bischof vor der Messe überbracht werden muss oder nicht. Es ist schon ein wahres Epos, wenn Herrschaften und Hochwürden streiten, sodass das Domkapitel und der Hof eingreifen müssen, und hätte Kastilien die Stunde genutzt, dann hätte es den Festungsort durch interne Kirchenkämpfe geschwächt angetroffen.
In der Kathedrale finden sich von dem Vorfall keine Spuren mehr. Es gibt nicht einmal eine Kathedrale, nur eine Pfarrkirche Nossa Senhora da Assunção. Sie wirkt wie eine Burg mit ihrem enorm weiten bogenförmigen Eingang, den Widerlagern, den abgeschrägten Zinnen, den Wasserspeiern. Im Innern sind die Bündelsäulen sehenswert, die die drei Schiffe unterteilen. Das Schönste an dieser ehemaligen Kathedrale sind für den Reisenden allerdings die Fassade und der einzige Turm. Der Baumeister Francisco de Arruda hat es wahrhaftig nicht verdient, dass in seinem Werk zwischen Dekan und Bischof über Fragen des Vorrangs gestritten wurde. Und ob verdient oder nicht verdient, sehenswert ist auch die gotische Hauptkapelle in São Domingos mit ihren hohen Scharten, doch sollte man vermeiden, den Blick auf die vergoldeten Säulen zu richten – was Streit betrifft, reicht es mit der Affäre wegen des Weihwedels.
Bei der Burg, eigentlich nur ein Bürglein, dem Schandpfahl und den Wappensteinen, den Brunnen Fonte da Misericórdia und Fonte das Beatas verbringt der Reisende einige Zeit, dann geht er ins Museum. Der Anblick des barocken Vordachs und des Schachbrettmusters aus blauweißen Azulejos auf der Kuppel gefällt ihm. Im Museum von Elvas gibt es einiges zu sehen, doch besitzt es keine sehr große Sammlung, abgesehen von Wappensteinen und ein paar archäologischen Stücken. Großartig allerdings ist die Santa Maria dos Açouges, wie eine Hofdame aus dem 14. Jahrhundert gekleidet und heute womöglich noch schöner als zu ihrer Zeit.
Wer von Elvas spricht, muss auch über das Aquädukt da Amoreira sprechen. Es ist ein erstaunliches Bauwerk mit seinen achthundertdreiundvierzig gemauerten Bögen, auf manchen Abschnitten in vier Reihen übereinander. Über hundert Jahre dauerte der Bau (hundertvierundzwanzig ganz genau), und Generation um Generation entrichteten die Leute von Elvas ihren Wassertribut. Als im Jahre 1622 der Brunnen Fonte da Vila in Betrieb
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