Die Portugiesische Reise (German Edition)
auszudrücken; was der Reisende damit sagen will, ist umgangssprachlich Folgendes: Warum zum Teufel ist der Alentejo so dünn besiedelt? Gut möglich, dass das Thema bereits untersucht und alles erklärt ist, wobei eventuell keine Erklärung die Hypothese des Reisenden berücksichtigt, aber wenn ein Mann durch diese endlosen Weiten fährt, wo über Kilometer und Kilometer kein einziges Haus zu sehen ist, darf er sich den Gedanken erlauben, dass der Großgrundbesitz der Feind dichterer Besiedelung ist.
Als der Reisende Monforte erreicht, biegt er auf die Straße nach Alter do Chão ab; er will zu dem Gut Torre de Palma, wo es Überreste einer römischen Siedlung gibt, die er sich ansehen möchte. Es ist nicht weit dahin, aber wer nicht aufpasst, fährt an dem Weg und dem kleinen Schild mit der Aufschrift U. C. P. Torre de Palma vorbei. U. C. P. bedeutet, für alle, die es nicht wissen, Unidade Colectiva de Produção (Kollektive Produktionseinheit). Kein Anlass für Verwunderung – so wie die Brücke in Lissabon umbenannt wurde, haben auch manche Ländereien ihre Struktur geändert. Der Reisende gelangt zu einem hohen Tor, dahinter auf einen großen, in der Sonne glitzernden Platz. Gegenüber steht ein hoher, in Stockwerke unterteilter Turm. Der Turm stammt nicht aus der Afonso-Ära, das sieht man auf den ersten Blick, vielmehr lässt er vermuten, dass jemand in wesentlich jüngerer Zeit den einfachen Leuten in der Umgebung seinen Reichtum vor Augen führen wollte. An der dem Tor zugewandten Seite befindet sich ein Wappenstein. Gleich darunter, von der Arbeit ausruhend oder für den nächsten Einsatz bereit, liegt landwirtschaftliches Gerät.
Der Reisende geht weiter, er ist ein schüchterner Reisender, immer besorgt, jemand könnte ihn wegen seines – wie nur er weiß, harmlosen – Eindringens zur Rede stellen. Als er sich einer Ecke nähert, hört er Stimmen von Männern. Es ist eine Kneipe. Der Reisende tritt ein, wünscht einen guten Tag und fragt den Mann hinter dem Tresen, wo die Ruinen sind und ob er sie besichtigen darf. Der Mann heißt António, wie er bald erfährt, ist klein, gedrungen, mit ruhiger Miene. Er antwortet mit zweifachem Ja und setzt zu den nötigen Erklärungen an. Der Reisende ist durstig, lässt sich ein Getränk geben, und während er seinen Durst stillt, stellt er die magische Frage: »Und, wie geht es denn hier mit der UCP?« Senhor António sieht den Reisenden aufmerksam an, doch bevor er antworten kann, schließt sich die zweite Frage an: »Ist hier schon irgendetwas unter Naturschutz gestellt worden?« Vielleicht liegt es an der Limonade, vielleicht an dem Halbdunkel im Lokal oder auch an irgendetwas anderem, jedenfalls hat er das Gefühl, dass es kühler wird, und Senhor António antwortet einfach: »Wir kommen zurecht, aber es soll hier einen Antrag geben, und wenn dem stattgegeben wird, haben wir kein Ackerland mehr.« Dann macht er eine Pause und setzt hinterher: »Wenn Sie ausgetrunken haben, gehen wir ins Büro, da können wir uns besser unterhalten.«
Das Büro befindet sich am äußersten Ende einer Häuserreihe, die auf einer Seite das viereckige Gelände begrenzt, in dessen Mitte der Turm steht. An einem Schreibtisch sitzt eine junge Frau, brünett, funkelnde schwarze Augen, offensichtlich von Zigeunern abstammend, hübsch und mit offenem Lächeln. Nach dem in solchen Situationen üblichen Miteinanderbekanntmachen erklärt die junge Frau, deren Namen der Reisende vergessen oder auch gar nicht erfahren hat, die Lage. Während sie spricht, lächelt sie weiterhin, und der Reisende überlegt, ob sie lächelnd ernste Dinge sagt oder ernste Dinge sagend lächelt. Man könnte meinen, das sei dasselbe, ist es aber nicht. Er hört aufmerksam zu, stellt ein paar Fragen, sagt ein paar aufmunternde und viel Glück wünschende Worte, und da auch er selbst lächelt, kommt er zu dem Schluss, dass hier alle über ernste Dinge sprechen.
Senhor António zeigt nun ein paar Einrichtungen der Kooperative, den Maschinenpark, die Olivenpresse. Beide befinden sich in neuen Gebäuden. Die Olivenpresse steht für die nächste Ernte bereit, perfekt gesäubert und geölt. Als sie zum Platz zurückgehen, fragt der Reisende, ob er den Turm besichtigen kann. »Ja, gleich«, sagt Senhor António, »wir müssen nur den Schlüssel holen. « Sie gehen zurück ins Büro, und während er eine Schublade öffnet, um den Schlüssel herauszunehmen, sagt die junge Frau: »Selbst die ältesten Leute hier auf dem
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