Die Portugiesische Reise (German Edition)
genommen wurde, kann man sagen, dass die Einwohner von Elvas für das klare Wasser ordentlich geschwitzt hatten. So wie in Lissabon für das Aquädukt Águas Livres. So wie überall für den Wasserhahn oder den öffentlichen Brunnen, den Bewässerungstank oder den Trog für die Tiere.
Nester zerstören verboten
Von Estremoz sieht der Reisende wenig mehr als den hochgelegenen Teil, das heißt die Altstadt und die Burg. Innerhalb der Mauern sind die Straßen schmal. Weiter unten, wo es reichlich Platz gibt, wird das Städtchen zur großen Stadt. Estremoz dehnt sich so weit, dass es fast seinen Ursprung aus den Augen verliert, obwohl der berühmte Turm Torre das Três Coroas unübersehbar ins Auge fällt. Nirgends hat der Reisende so deutlich empfunden, dass eine Stadtmauer eine Grenze zwischen denen innerhalb und denen außerhalb zieht. Allerdings mag das ein ziemlich subjektiver Eindruck sein, der Reisende kann sich also dafür natürlich nicht verbürgen.
Die strahlend weiß gekalkten Häuser der Altstadt, gebaut aus Marmor, als wäre es gewöhnlicher Stein, sind schon allein für sich ein Grund, Estremoz zu besuchen. Doch hoch droben steht auch der Turm mit seinen dekorativen, zinnenverzierten Balkonen, und die Überreste des Königspalastes von Dom Dinis, der Vorraum mit Zwillingssäulen, auf denen der Reisende Darstellungen vom Mond und von Lämmern entdeckte. Da steht die Kapelle der Königin Santa Isabel aus dem 18. Jahrhundert mit ihrem theatralischen Chor und den überreich verzierten Azulejos, darauf Episoden aus dem Leben der wundertätigen Dame, die Brot zu Rosen verwandelte, wenn sie schon nicht Rosen zu Brot verwandeln konnte. Und da steht das Museu Municipal, in dem es etliches zu sehen gibt und vieles, was man nicht vergessen wird.
Die Exponate, die der Reisende ohne weiteres auch in anderen Museen finden könnte, lässt er aus, um in aller Ruhe die Tonfiguren bewundern zu können, die nach Estremoz benannt sind. Bewundern, sagt er, und es gibt keinen treffenderen Ausdruck. Zu Hunderten stehen die kleinen Figuren da, nach bestimmten Kriterien hübsch angeordnet, und jede einzelne verdiente, eingehend betrachtet zu werden. Der Reisende weiß nicht, wohin er blicken soll – sie werden als volkstümliche Typen bezeichnet, stellen ländliche Arbeitsszenen dar, Krippentableaus oder Hausaltäre, von unterschiedlichen Vorstellungen inspirierte Bilder, eine Welt, die man unmöglich ganz erfassen kann. Ein Beispiel soll genügen, eine einzige Vitrine, in der in geordnetem Durcheinander ausgestellt sind: »Schwarze, stehend und zu Pferd – Amazone und Reiter, Priester zu Pferd; Schäfer, Brotkrümel essender Mann, Brotsuppe zubereitender Mann; Soldaten, stehend oder im Garten sitzend; Dorfgeck, Akkordeonspieler; Frühlingsszenen mit und ohne Girlanden; volkstümliche Typen – Kastanienverkäuferin, Milchmann, Wasserträger; Hirtinnen mit Spindel oder Hühner, Truthähne oder Schafe hütend; Frauen, die im Bottich Wäsche waschen, bügeln, sich vor einem Spiegel frisieren oder Tee trinken; gezierte Dame; Schlachten eines Schweins mit drei Figuren und Frauen, die Wurst machen.« Oh, wie wunderbar, sagt der Reisende wieder. Geh nach Estremoz, sieh dir die Tonfiguren an, und deine Seele ist gerettet. Ein Sprichwort, vom Reisenden für die Nachwelt erfunden.
Gern wäre der Reisende länger geblieben, doch er kann nicht. Nachdem er die endlose Landschaft zu dieser und jener Seite betrachtet hat, begibt er sich hinunter ins Flachland, was heißen soll, dass er zum Platz Rossio geht, auf dessen einer Seite die Kirche São Francisco steht. In diesem Kloster starb Dom Pedro I., und er hinterließ den Mönchen sein Herz. Wenn es stimmt, dass die Mönche die Erbschaft angenommen haben, dann wird Pedro seiner Inês, wenn sie in Alcobaça auferstehen, kein Herz mehr schenken können.
In der Kirche São Francisco gibt es einen schönen Baum des Jesse aus dem 17. Jahrhundert, und in der gegenüberliegenden Kapelle des Dritten Ordens der Franziskaner trifft der Reisende auf die beunruhigendste Sammlung von Heiligen, die er je gesehen hat. Nicht dass sie übermäßiges Leiden oder unerträgliche Strenge ausdrückten. Im Gegenteil. Alle gleich gekleidet, Männer wie Frauen, in langen, schlichten Tuniken aus echtem Satin – das Charakteristische an ihnen ist die teilnahmslose Miene und der starre Blick. Groß und schlank stehen sie in Glasvitrinen entlang der Kapellenwände. Nicht wie Richter stehen sie dort, sie befinden
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