Die Portugiesische Reise (German Edition)
sich, ob sie überhaupt irgendwann Wasser führen, nicht einmal im Entferntesten zeigt sich eine Andeutung davon. Inzwischen würde auch der Reisende, wenn man ihn ausdrückte, keinen Tropfen von sich geben. So fährt er, wieder halb benommen, dahin, wünscht das Reisen fast zum Teufel, als vor ihm ein Fluss erscheint. Eine Fata Morgana, sagt sich der Reisende skeptisch, denn er weiß ja, dass in der Wüste Trugbilder entstehen, den Halbverdursteten zeigen sich Brunnen, den nach Schatten Dürstenden Palmenhaine. Für alle Fälle sieht er auf der Karte nach, ob in diesen Breitengraden ein ständig Wasser führender Fluss verzeichnet ist. Da, der Guadiana! Es ist der Guadiana, derselbe, der sich ihm in Juromenha so ungebändigt gezeigt und ihn dann verlassen hatte. Lieber Guadiana, herrlicher Guadiana, du Fluss, der du dem Paradies entspringst! Was hätte jeder andere Reisende getan, was tut dieser? Sobald er von der Straße aus mühelos an den Fluss herankommt, hält er an, zieht sich an einer geschützten Stelle aus und ist im Nu im kühlen, klaren Wasser, kaum vorstellbar, dass es eine solche Temperatur gibt. Länger, als es die Reise eigentlich erlaubt, erquickt er sich in dem kristallklaren Strom, schwimmt im Glitzern, das die Sonne auf die Wasserfläche sprüht, überglücklich der Reisende, zufrieden die Sonne und der Fluss, eine einzige Freude für alle drei. Indes, so wie Schlechtes vergeht, hält auch Gutes nicht ewig an – er steigt aus dem Wasser wie ein Triton, den die Nymphen verschmäht haben, und nass steigt er in seine verknitterten Kleider, diese vom Schweiß feucht, ein Elend.
Bei der Brücke, wo die Straße mit der von Reguengos kommenden Straße zusammentrifft, baden Jungen und Mädchen. Sie lachen, die Schlingel, bespritzen einander mit Wasser, es müsste ein Gesetz geben, das solche Unsitten verbietet, der Reisende spürt, wie sich Neros Seele in ihm regt, gleich wird er ein Verbrechen begehen. Schließlich legt sich das Gefühl. Von der Brücke aus winkt er den Schwimmern zu, mögen die Götter diesen Fluss für immer erhalten und euch eure Jugend so lange wie möglich.
Mourão hat nicht viel zu bieten. Dennoch geht der Reisende gleich zur Burg, in der sich auch die Pfarrkirche befindet, aber beide sind geschlossen und sehen von außen nicht aus, als wären sie innen großartig. Trotzdem entdeckt er Schönes – die runden Schornsteine mit kegelförmigem Abschluss, wie es sie fast nur hier gibt, und die gleichen, aber nie monotonen weißgekalkten Fassaden, die abermals beweisen, welche Farbskala Weiß im Spiel des direkt oder schräg einfallenden Lichts entwickeln kann, im harten Schatten oder im weichen Halbschatten eines Winkels, den das Licht nur unzählige Male gebrochen erreicht; das ist selbst an einem so brutalen Nachmittag wie diesem möglich.
Solche Landschaften, denkt der Reisende, während er seine Fahrt südwärts fortsetzt, brauchten gar nicht die Hitze, um erstickend zu wirken. Zwischen Mourão und Póvoa, zwischen Póvoa und Moura dehnen sich zu beiden Seiten der Straße die endlosen Felder in bleichem Gelb, fast Weiß, wenn die Stoppeln zertreten sind und die glatte Innenseite der Halme im Sonnenlicht glänzt, und das Bild, das zunächst einförmig wirkte, verändert sich zu einem Kaleidoskop. Betrachtet man die abgeernteten Kornfelder, richtet den Blick minutenlang fest darauf, so gerät man in einen leichten Taumel, in eine Art gegenseitige, fast ekstatische Hypnose.
In Moura, das einen schönen Platz besitzt, weit eher Empfangsraum als Durchgangsort, spürt der Reisende die erste leichte Brise. Noch schüchtern, gleich darauf reuig ob ihrer Dreistigkeit, da dieser Tag doch der Herrin Sonne vorbehalten war, aber dank der Brise fasst er Mut und geht zur Burg, klettert über die diversen Ruinen, und das sind nicht wenige. Eine ideale Kulisse für ein dekadentes Adelsdrama oder furchtbare Degenduelle in mondklarer Nacht. Der Reisende, und nun spricht er im Ernst, wundert sich, wie selten portugiesische Filme diese Naturkulissen nutzen, denn wir haben davon im Überfluss für jeden Geschmack und jedes Bedürfnis. Nachdem er diese Feststellung ausgesprochen oder gedacht hat, kehrt er wieder zum Platz zurück, betrachtet von außen das schöne dreiflügelige Portal der Pfarrkirche mit ihrem Baldachinbogen, der an das Portal von Penamacor erinnert oder in dem Moment den Reisenden daran erinnert, und den gar nicht kirchlich, eher höfisch anmutenden überdachten Balkon mit seinen
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