Die Portugiesische Reise (German Edition)
ionischen Säulen und der schmiedeeisernen Balustrade. Geschmack besaß fraglos der Maurermeister Cristóvão de Almeida, der dieses Werk schuf, und ein Palastliebhaber muss der Abt gewesen sein, der solche Weltlichkeit in seiner Kirche haben wollte.
Der Nachmittag geht leicht abgekühlt, sofern man von Abkühlen sprechen kann, zur Neige, aber die Bäume am Straßenrand tragen dazu bei, mit den sanften Hügeln kommt Bewegung in die Landschaft, und der Reisende atmet erfreut auf. Doch vor Pias stehen am Ende eines Hangs zwei Polizisten und lassen sich von den Autofahrern die Papiere zeigen, was normal ist, aber in der Nähe steht ein Lastwagen mit weiteren Polizisten, und das ist nicht gerade normal. Der Reisende zeigt, dass er kein Blut an den Händen hat, und darf weiterfahren. In Pias, wo Menschen auf der Straße sind, erkundigt er sich nach der Pfarrkirche. Er möchte das Bild sehen, das Martim Moniz eingeklemmt im Tor der Lissabonner Burg São Jorge zeigt. Aber die Kirche ist verschlossen, was eine poetische Gerechtigkeit in sich trägt: An Menschen, die sich opfern, damit jene, die nach ihnen kommen, leben und gedeihen können, fehlt es heutzutage nicht. Gerade hier in dieser Gegend nicht.
Der Reisende wird in São Gens, nicht weit von Serpa, übernachten. Gleich dahinter befindet sich die Kapelle Nossa Senhora de Guadalupe. Was an ihr sehenswert ist, sieht man von außen. Anders als bei der Landschaft, die sich vor dem Auge des Reisenden dehnt. Sie will von innen gesehen werden. Eine Weite mit Bäumen und nahezu flachen Hügeln, kleinen Anhöhen, die mit der Ebene verschmelzen. Die Sonne ist schon untergegangen, doch das Licht schwindet nicht. Es überzieht die Landschaft mit goldenem Grau, dann verblasst das Gold, die Dunkelheit steigt langsam von der anderen Seite auf und zündet Sterne an. Später wird der Mond aufgehen, und die Käuze werden einander rufen. Dem Reisenden kommen die Tränen. Vielleicht aus Selbstmitleid, Kummer darüber, dass er nicht in Worten auszudrücken vermag, was diese Landschaft ist. Er sagt einfach nur: Dies ist die Nacht, in der die Welt beginnen könnte.
Der Satz und der Sprung
Als der Reisende erwacht und das Fenster öffnet, ist die Welt erschaffen. Es ist früh, die Sonne noch in weiter Ferne. Kein Ort kann von ruhigerer Schönheit sein, keiner wird es je sein mit so einfachen Dingen, weites Land, Bäume, Stille. Nachdem der Reisende mit seinem auf vielen Erfahrungen basierenden Wissen den Anblick genossen hat, wartet er auf den Sonnenaufgang. Er erlebt alles mit, die Veränderung des Lichts, das Entstehen des ersten Schattens und das erste Zwitschern eines Vogels, und er hört als Erster die Stimme einer Frau aus dem Unsichtbaren, die diesen einfachen Satz sagt: »Es wird wieder ein heißer Tag.« Prophetische Worte, wie der Reisende am eigenen Leib erfahren soll.
Ein Rundgang durch Serpa ist nicht sehr ergiebig: das Renaissance-Portal des ehemaligen Spitals für Aussätzige, heute die Kirche Nossa Senhora da Saúde, der Mauerring um die Burg, der riesige Turm eine Ruine. Das Beste sind noch die normalen Häuser, niedrig und weiß, gekalkte Umarmungen der Straßen, Mondlicht, das sich an die Wände geheftet hat und nicht verlöscht. Der Reisende erkundigt sich, auf welcher Straße er zum Pulo do Lobo gelangt. Er ist naiv, dieser Reisende. Vermutet hat er es schon mehrfach, heute bekommt er den Beweis. Der Befragte, ein ruhiger, langsam sprechender Mann, gibt Auskunft und fragt zum Schluss: »Mit diesem Auto wollen Sie dahin?« Noch kann der Reisende den Grund für die Frage nicht verstehen, er denkt, der Mann mokiere sich über sein Fahrzeug. Er antwortet knapp: »Ja, genau.« Der Mann schüttelt mitleidig den Kopf und geht weiter.
Bis São Brás macht die Straße gut mit. Sie durchquert eine weite Einöde, eine Landschaft mit kleinen, rundlichen Erdhöckern, wie kabbelige See, hier und da weisen Holzschildchen auf Gehöfte hin, die man von der Straße aus nicht sieht, noch nicht einmal die Spitze eines Schornsteins. Weitere zwei Kilometer ist der Weg passabel, dann beginnt die Qual: Das Straßenbett ist voll loser Steine, ein Auf und Ab durch Schlaglöcher und über Buckel. Der Reisende hat schon andere Situationen dieser Art erlebt, aber hier hört das Chaos gar nicht auf, und das Schlimmste an allem ist das bedrückende Gefühl, vollkommen allein zu sein – weit und breit kein Haus, die Felder sehen aus, als wären sie seit tausend Jahren nicht bestellt worden, und
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