Die Portugiesische Reise (German Edition)
schlimmer. Der Reisende fährt durch die Ebene, die sich bis an die Ufer des Rio Degebe dehnt und auf der anderen Seite bis zu den Hügeln von Monsaraz. Vor Reguengos erwacht er plötzlich aus der Benommenheit, die ihn übermannt hatte, als er am Wegrand ein Schild sieht, dem zufolge es in der Nähe eine Ortschaft namens Caridade gibt. Das stand nicht auf seinem Plan, ein Reisender kann ja nicht überallhin fahren, aber solch ein Name, Nächstenliebe, lohnt auch einen größeren Umweg. Es ist ein weißes Dorf, doppeltweiß und überweiß (bei dieser Hitze ist der Reisende nicht mehr ganz Herr seiner Worte), und auf dieses Weiß klatscht in der glühenden Sonne eine schwarzgekleidete Frau neue Kalkfarbe auf die Wände ihres Hauses, was für eine Leidenschaft für Weiß brennt in den Herzen dieser dunklen, von Sonne und Schweiß gegerbten Menschen. Beim Anblick der Kirche von Caridade, rustikal, mit einem violetten Streifen am unteren Rand der Wände, hält der Reisende entzückt an. Dieses Caridade existierte also, mit einem gleichnamigen Flüsschen, und der Reisende kannte es nicht. Ach, was alles entgeht einem Menschen in seinem Leben, und er weiß es nicht!
In Reguengos de Monsaraz lohnt sich nicht zu halten. Nur gerade für ein erfrischendes Getränk und gleich noch eins hinterher, und dann wieder ab auf die Straße. Ein Stück weiter, zwischen der Landstraße und dem Fluss Pêga, liegen Reste von Dolmen, überwuchert von Brombeeren, da kann kein Pflug arbeiten. Das Zirpen der Grillen klingt aggressiv. Bei dieser Hitze verlieren die armen Viecher die Kontrolle über ihre Flügel, so wie der Reisende in Caridade die Kontrolle über seine Worte verloren hat. Wer weiß, ob die altbekannte Beharrlichkeit der Ameisen nicht davon kommt, dass sie ganze Sommer über diesem die Luft zerschneidenden Sägen ausgesetzt sind?
Jedenfalls gibt es nichts, was so schlecht ist, dass es nicht auch noch eine gute Seite hätte. Wegen der Hitze halten sich die Menschen in ihren Häusern auf, zumindest alle, die nicht weit weg bei der Arbeit sind, und der Reisende kann durch die Straßen laufen, als wäre das Dorf verlassen. Das ist das Gute, aber damit die Regel stimmt, gibt es auch eine schlechte Seite: Es ist niemand da, mit dem der Reisende sprechen könnte. Hier auf dem Hauptplatz betrachtet er die hübschen, unauffälligen Häuser, manche sind unbewohnt, erworben von wohlhabenden Leuten, die woanders leben, er sieht die Fassaden, nicht das Innere, und wird traurig bei dem Gedanken, dass Monsaraz vor allem eine Fassade ist. Darin liegt auch eine Ungerechtigkeit – so mancher ist hier, innerhalb der Burgmauern, in den steilen Gassen, im kühlen oder eisigen Dunkel der komfortlosen Häuser an Geist und Körper erwachsen geworden. In Monsaraz wohnen Einheimische und Ortsfremde, Menschen, die sich von den Freuden und Unsitten der Großstadt erholen wollen, jene, die an Freuden kaum mehr kennen als den bitteren Beigeschmack des Lebens, das nur dem Auge einen großen Horizont bietet.
In der Sonne leidend, hat der Reisende jemanden entdeckt, der ihm die Pfarrkirche aufschließt. Ein Bau, dessen Inneres den Erwartungen widerspricht – viereckig, mit drei gleich großen Schiffen, unterteilt durch mächtige Säulen aus enormen Steintrommeln. Der Atmosphäre und dem heruntergekommenen Zustand nach wirkt die Kirche weit älter, als sie tatsächlich ist: etwa vierhundert Jahre. Hier befindet sich das schöne Grabmal aus dem 13. Jahrhundert von Gomes Martins, dem Prokurator der Königin Dona Beatriz, Frau von Dom Afonso III. Es zeigt Falknerszenen und das Betrauern des Verstorbenen, von einem tragischen Realismus, den die grobe Darstellung noch akzentuiert.
Dann sieht sich der Reisende das Fresko mit dem integren und dem bestechlichen Richter aus dem 15. Jahrhundert an, ein Gemälde mit großen Farbflächen und so deutlichem Pinselstrich, als wäre es schraffiert. Diese Wand, die von der Zeit nicht verschont worden ist, offenkundig unterstützt durch der Menschen Nachlässigkeit und Ignoranz, ist von überraschender Modernität. Es sei denn, der Reisende hält für Zeichen von Modernität, was heutzutage in einer gewissen mittelalterlich historisierenden Kunst, die in Portugal mit nicht immer gutem Resultat praktiziert wird, wieder in Erscheinung tritt.
Vom Festungsberg Monsaraz fährt der Reisende hinunter in die Ebene. Das ist, als befände man sich in einer anderen Welt. Die Flussbetten sind sonnenverbrannte Steinläufe, man fragt
Weitere Kostenlose Bücher