Die Portugiesische Reise (German Edition)
Urteil deutet sich an, doch schon wird er mitgerissen von dem, was der Reisende nur als dämonischen Tanz bezeichnen kann. Wäre da nicht die erbauende Bilderreihe mit Szenen aus dem Leben des heiligen Antonius, zugeschrieben dem Maler Rasquinho aus Loulé, der im 18. Jahrhundert lebte, dann könnte man ernsthafte Zweifel am Wert der Gebete bekommen, die hier, inmitten so vieler Ablenkungen, und in der Mehrzahl weltliche, gesprochen werden.
Die Holzdecke in Form eines Tonnengewölbes ist in kühner Perspektive bemalt, die in der Vertikalen die Wände fortsetzt, Marmorsäulen und verglaste Fenster vorgaukelt und schließlich dort, wo es sich tatsächlich befindet, jedoch viel weiter weg zu sein scheint, ein pseudosteinernes Gewölbe. Aus den Ecken blicken über die Empore misstrauisch die vier Evangelisten auf den Reisenden herab. Darüber hängt, als schwebte es unter der Decke, das portugiesische Staatswappen, wie es im 18. Jahrhundert aussah. Dieses ist das Reich der Künstlichkeit, des Vortäuschens. Dennoch, und das sagt der Reisende in aller Aufrichtigkeit, ist das alles hervorragend gemacht und hält jeder geometrischen Probe stand. Wer die Decke gemalt hat? Das ist nicht bekannt.
Aus der Kirche kann man ins Museum hinübergehen, sofern man nicht den eigentlichen Eingang vorzieht. Lagos besitzt eine gute, didaktisch angeordnete archäologische Sammlung vom Paläolithikum bis zur Römerzeit. Besonders gefallen dem Reisenden die Exponate aus der Zeit der Iberer: ein Bronzehelm, eine aus Knochen geschnitzte Statuette, Keramik und vieles mehr. Die Statuette ist ungewöhnlich konzipiert, eine Hand bedeckt die Brust, die andere das Geschlecht, sodass man nicht sagen kann, ob es eine weibliche oder eine männliche Figur ist. Zum Verweilen lädt jedoch die völkerkundliche Abteilung ein. Dieser Teil des Museums widmet sich hauptsächlich dem regionalen Kunsthandwerk, zeigt eine Anzahl von Arbeitsgeräten, insbesondere aus der Landwirtschaft, und dazu Miniaturen von Fahrzeugen, Booten, Fischfanggerät und einem Schöpfrad, stellt aber auch in Konservierungsgläsern Missbildungen aus, eine Katze mit zwei Köpfen, ein Zicklein mit sechs Beinen und anderes, was unsere Vorstellung von Unversehrtheit und Normalität erschüttert. Allerdings hat dieses Museum von Lagos den besten Führer oder Aufseher der Welt (ist es womöglich der Direktor, der sich wie in Faro aus Bescheidenheit nicht zu erkennen gibt?), und der Reisende kann das bezeugen; während er eine Klöppelspitze, eine Arbeit aus Kork oder eine Puppe in der Regionaltracht ansieht, wird ihm die Erklärung dazu über die Schulter geflüstert, und zum Abschluss folgt jedes Mal der Zusatz: »Das Volk.« Um es genauer zu erklären: Man stelle sich vor, der Reisende betrachtet einen aus Weiden geflochtenen Gegenstand, dessen Form genau der Funktion entspricht. Da kommt der Aufseher dazu und erklärt: »Fischkorb. « Kurze Pause. Dann, als sagte er den Namen dessen, der ihn hergestellt hat: »Das Volk.« Kein Zweifel möglich. Fast am Ende seiner Reise hört der Reisende in Lagos das abschließende Wort.
In den anderen Räumen, den Abteilungen Mineralogie, Numismatik, Geschichte der Stadt (mit dem Freibrief von Dom Manuel), Fahnen, Statuen und Paramente, gibt es viel zu sehen. Der Reisende hebt, da es eine wahrhaft bewunderungswürdige Arbeit ist, das Francisco de Campos zugeschriebene Diptychon aus dem 16. Jahrhundert hervor, auf dem die Verkündigung und Mariä Opferung dargestellt sind. Es gibt viele Gründe, nach Lagos zu fahren, dieses mag einer sein.
Und nun geht es nach Finisterra do Sul. Hier verabschiedet sich die Welt. Sicherlich, es gibt ein paar Ortschaften, Espiche, Almadena, Budens, Raposeira, Vila do Bispo, doch die Besiedlung wird spärlicher, und wären da nicht die Sommerhäuser, die sich hier und dort scharen, käme schließlich die große Einöde und Einsamkeit am äußersten Ende der Welt. Der Reisende kann es kaum erwarten anzukommen. Er wird die Kirche von Raposeira besichtigen mit ihrem achteckigen Turm und der Statue aus dem 16. Jahrhundert von Nossa Senhora da Encarnação, zwar beschädigt, aber sehr schön, dann ganz in der Nähe die Kapelle Nossa Senhora de Guadalupe, von den Templern im 13. Jahrhundert erbaut, deren Kapitelle zu den schönsten zählen, die der Reisende bislang gesehen hat, und danach kommt nicht mehr viel. Fasziniert wird er die weiße Kuppel der Kirche von Vila do Bispo betrachten, aber nicht hineinkommen, weil der
Weitere Kostenlose Bücher