Die Portugiesische Reise (German Edition)
gibt, die dazu führen, dass alle dasselbe denken. Die Rede ist hier von der Kathedrale von Braga, nur um das klarzustellen.
Vor dem Hochaltar überkommt den Reisenden, nachdem er der Statue der Santa Maria de Braga aus dem 14. Jahrhundert die Reverenz erwiesen hat, eine riesige Wut. Die Front ist alles, was geblieben ist von diesem Altaraufsatz, der von einem Erzbischof in Auftrag gegeben und von zwei anderen verstümmelt wurde. Der Reisende ist entsetzt, er kann sich kaum vorstellen, dass irgendein Ungläubiger es wagen würde, die Hand gegen dieses Meisterwerk zu erheben, und dann sind es zwei Erzbischöfe, mit leichtem Sinn und schwerem Hammer, die sich besser um ihr Seelenheil hätten kümmern sollen. Der Reisende ist nicht rachsüchtig, aber er hofft, dass über derlei Sünden am Tage des Jüngsten Gerichts nicht hinweggesehen wird.
Als der Reisende am Kreuzgang vorbeikommt, für ihn lediglich ein Seitenflügel, der die Kirche nach außen hin erweitert, weiß er schon, dass es dort zwei sehenswerte Kapellen gibt, die São Giraldo und die São Glória. Noch sind sie geschlossen, aber gleich wird jemand aufschließen. Auf dieser Seite, die schon zur Stadt hinführt, steht der Monolith von São Nicolau, Schrein und Heiliger vereint in einem Granitstein. Die brennenden Kerzen weisen darauf hin, dass man nach wie vor auf seine Unterstützung setzt, obwohl er etwas abgelegen vom heiligen Gelände steht. Auf der anderen Seite des Kreuzgangs steht noch eine Kapelle, ein nicht weiter interessantes Bauwerk, in der sich aber vier schwarze Heilige befinden, einer davon der heilige Benedikt, von dem der Reisende in seiner Kindheit gehört hat, dass er wenig aß und dick war, und insbesondere ein großer Sankt Georg mit Brustpanzer, Gamaschen und Helm, obendrauf eine Feder, und einem dicken Schnurrbart wie ein Himmelspolizist. Dieser heilige Georg hat eine Geschichte, und diese Geschichte bildet ein schwarzes Blatt in den Annalen des Erzbistums.
In einer bestimmten Prozession, die der Reisende nicht näher benennen kann, was der Relevanz der Geschichte keinen Abbruch tun soll, ritt der heilige Georg immer auf seinem Pferd, wie es sich geziemt für jemanden, der seit Urzeiten einen erbitterten Kampf gegen Drachen führt. Zu Pferde und in der Hand die Lanze, durchzog Sankt Georg die Straßen der Stadt und nahm, wie anzunehmen ist, Gebete und Ehrenbezeigungen entgegen, während das Pferd, am Zügel geführt, vor Zufriedenheit schnaufte.
So war es viele Jahre lang, bis eines unheilvollen Tages dem Pferd, das den Heiligen trug, neue Hufeisen angepasst wurden, weil die alten abgelaufen waren. Der Zug setzt sich also in Bewegung, der heilige Georg nimmt seinen Platz innerhalb der Prozession ein, und auf einmal stolpert das Tier über eine Straßenbahnschiene, rutscht aus, verliert den Boden unter den Hufen, und Sankt Georg stürzt auf das Pflaster, unter furchtbarem Getöse, Panik und Bestürzung. Das Getöse war das, was man hörte, die Panik die der Mäuse, die aus der Heiligenfigur flüchteten, und die Bestürzung die der Pater, Bruderschaften und Begleiter, die so in aller Öffentlichkeit vorgeführt bekamen, welch mangelnde Fürsorge man dem Inneren ihres Heiligen hatte zukommen lassen. Da hatten die Mäuse der Kathedrale von Braga also in aller Ruhe ihren Nachwuchs gezüchtet, und der Klerus hatte keine Ahnung. Das war vor dreißig Jahren, und vor lauter Scham erschien der heilige Georg nie wieder auf der Straße. Jetzt steht er hier traurig in der Kapelle, weit entfernt von der geliebten Stadt, und nie wieder ließ er seine Feder im Wind wehen, die Lanze in der Hand. Der Reisende, der den Geschichten gern etwas hinzufügt, stellt sich vor, wie mitten in der Nacht, wenn die ganze Stadt schläft, ein Geisterpferd den Heiligen auf seinem Rücken sicher durch die Straßen trägt. Es klatscht ihm unterwegs zwar keiner mehr begeistert Beifall, aber das macht dem Heiligen nichts aus, er hat am eigenen Leibe erfahren, wie schnell Ruhm verblassen kann.
So beginnt der Reisende nun mit der Kapelle São Giraldo. Dies sind die Gräber des Grafen Dom Henrique und seiner Frau Dona Teresa, und in Auftrag gegeben wurden sie vom Erzbischof Dom Gonçalo Pereira, dem Großvater von Dom Nuno Álvares Pereira. Sie sind klein und diskret platziert. Der Reisende fragt: »Aber das hier hat ja einen Deckel aus Holz. Warum?« Die Antwort ist ein amüsantes Kapitel aus der Geschichte menschlicher Eitelkeiten. Folgendes:
Als der Erzbischof die
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