Die Portugiesische Reise (German Edition)
Senhora da Madelena war er es, der den Anstoß für die Erbauung der Wallfahrtskirche Bom Jesus do Monte in Tenões gab, obwohl es ihm selbst nicht mehr vergönnt war, den Grundstein zu legen, da er zuvor verstarb. Am Beispiel von Dom Rodrigo de Moura Teles kann man gut psychologische Studien betreiben: Nie waren Kompensationsmechanismen klarer zu erkennen als bei diesem winzigen Erzbischof, der nur Großes erschaffen konnte.
Zum Bom Jesus und zu der Senhora do Sameiro fährt man, weil man religiös ist oder weil man sie schön findet. Für den Reisenden gilt Letzteres. Die Landschaft ist weitläufig, die Luft frisch in diesem sonnigen November, und wenn die künstlerische Bedeutung sich auch in Grenzen hält, so hat das Ganze doch einen volkstümlichen Stil, ein Wallfahrtskolorit, das an den Statuen, Treppen und Kapellen haftet und den Besuch mehr als rechtfertigt. Was die bildhauerische Schönheit betrifft, gewinnt der Bom Jesus gegen die Senhora do Sameiro, das ist gar kein Vergleich. Welcher von beiden Orten zur Andacht besser geeignet ist, steht nicht im Gebetsbuch des Reisenden. Die Reise geht weiter.
Wenn in Portugal Könige ernannt wurden, geschah das den Chroniken nach meist mit folgendem Ruf: »Real, real, dem Dom Soundso, König von Portugal!« Lassen wir, da wir inzwischen in einer Republik leben, und das nicht schlecht, die letzten beiden Teile weg und rufen: »Real! Real!« Das sollte genügen. Real bedeutet royal, aber es ist auch der Name einer kleinen Ortschaft zwei Kilometer von Braga entfernt. Dort gibt es, was es überall gibt, nämlich Menschen und Häuser, und etwas, was es an keinem anderen Ort der Welt gibt: die Kirche São Frutuoso de Montélios.
Der Reisende weiß, was er da sagt. Er hat viele Kirchen gesehen, sein Kopf steckt voller architektonischer Eindrücke, und daher weiß er, was es bedeutet, wenn er behauptet, dass es in Portugal nichts gibt, das sich mit dieser Kostbarkeit vergleichen ließe. Es ist ein kleines Bauwerk, von außen schmucklos und innen schlicht, in zwei Minuten ist man durch, und dennoch gibt es in Portugal wahrscheinlich kein vergleichbares Beispiel für eine derartige Harmonie der Proportionen, sind fast glatte Oberflächen nirgendwo so eloquent zum Sprechen gebracht worden wie hier. São Frutuoso de Montélios ist älter als alle anderen Kunststile, die der Reisende hier bisher gesehen hat, mit Ausnahme des römischen. Ihr Stil liegt wahrscheinlich zwischen dem römischen und dem romanischen, vielleicht ist er westgotisch, aber das hier ist so ein Fall, wo Klassifikation keine Rolle spielen sollte. Wer meint, viel, oder wer zugibt, wenig von Kunst zu verstehen, der sollte zur Kirche São Frutuoso fahren: In beiden Fällen wird man dieselbe Anerkennung und Dankbarkeit verspüren gegenüber den Menschen, die diese Kirche erbaut haben, eine alles überragende Kostbarkeit portugiesischer Architektur.
Daneben macht die Kirche des Convento de São Francisco keinen großen Eindruck, trotz ihres strengen Renaissance-Stils: Manchmal sind es die Stimmen aus der weiten Ferne, die so ganz dicht am Ohr und am Herzen zu uns sprechen, dass sie alles Geschmettere übertönen. São Francisco ist nicht mehr als ein unbedeutender Messdiener São Frutuosos. Der Reisende macht sich auf den Weg, ohne recht zu wissen, wer er selbst eigentlich ist.
Zum Glück weiß er noch, wo er hinwill. Vor ihm liegt Mire de Tibães (so ist das im Minho, man muss an jeder Ecke haltmachen), ein ehemaliges Benediktinerkloster, ein imposanter Bau, der die Landschaft ringsum erdrückt und schon von weitem sichtbar ist. Nur Mönche sind zu solchen Exzessen fähig. Das Kloster ist eine völlig heruntergekommene Ruine. Als der Reisende den ersten Kreuzgang betritt, denkt er zunächst, es fänden Restaurationsarbeiten statt. Diverses Baumaterial liegt herum, Ziegel, Sand, Zeichen von Betriebsamkeit. Schnell wird er eines Besseren belehrt: Es wird zwar gebaut, aber von den Familien, die in den Nebengebäuden des Klosters wohnen und die, so gut es geht, dagegen anarbeiten, dass es in ihren improvisierten Behausungen durchregnet. So weit er kommt, läuft er durch die kalten, wurmstichigen Korridore, dunkel gewordene Bilder hängen an den Wänden, die Holzdecken sind morsch, und über allem liegt ein Geruch von Schimmel und Tod. Missmutig betritt der Reisende die Kirche: Das Schiff ist riesig, mit einem Deckengewölbe aus geviertelten Steinen, und die Schnitzereien sind wie üblich üppig und reichlich. Nach
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