Die Portugiesische Reise (German Edition)
die Gefahr hin, damit dem Richter und seinen Freunden das Mahl zu verderben, und in seiner Verzweiflung erklärte er, alle Gesetze des Himmels und auf Erden missachtend: »Ich bin so unschuldig, wie dieser Hahn krähen wird, wenn Ihr mich hängt.« Der Richter, der glaubte, sehr gut zu wissen, wie es um einen toten, gebratenen Hahn beschaffen ist, und nicht ahnen konnte, zu welchen Meisterwerken ein ehrenhafter Hahn fähig war, lachte laut los. Allgemeines Gebrüll brach aus. Der Verurteilte wurde abgeführt, das Essen ging weiter, und als sich schließlich das Tranchiermesser dem Spieß näherte, erhob sich der Hahn, triefend von Soße, trampelte durch die Kartoffeln und krähte so lebendig und schrill aus dem Fenster, wie kein Hahn in der Geschichte von Barcelos vor ihm gekräht hatte. Dem Richter schien es, als hätten Posaunen zum Jüngsten Gericht geblasen. Er stand vom Tisch auf, rannte mit der Serviette am Hals zum Galgen und sah, dass auch dort wunderbare Mächte am Werk waren, denn der Knoten am Strick hatte sich gelöst, sehr zum Erstaunen der Anwesenden, hatte man sich doch zuvor von der Tüchtigkeit des Henkers überzeugen können.
Der Rest ist bekannt. Der Galicier wurde freigelassen, man ließ ihn in Frieden von dannen ziehen, und der Richter wendete sich wieder seinem Mahl zu, das erheblich abgekühlt war. Was wir aus der Geschichte nicht erfahren, ist das Schicksal des wundersamen Hahnes, ob man ihn in einem Akt der Dankbarkeit verzehrte oder ob er in irgendeiner Kapelle aufgestellt wurde, bis ihm irgendwann die Knochen auseinanderfielen. Sicher weiß man, aufgrund handfester Beweise, dass sein Abbild zu Füßen Christi am Kreuz des Senhor do Galo zu sehen ist und dass er in Gestalt seiner aus Ton gebrannten Nachkommenschaft zurück in den Ofen musste, um dann lebendig auf allen Märkten des Minho ausgestellt zu werden, in allen Farben, die ein Hahn haben kann.
Es gibt keinen Zweifel: Hier steht sie ja, die Legende, die all das bestätigt, das Kreuz, das ihn heilig spricht, und die Legionen aus Ton, die Beweis genug sind. Barcelos ist eine so anmutige Stadt, dass es ihr verziehen sein möge, den Galicier verurteilt zu haben, und dass sie den Hahn erschufen, bewahrte sie davor, ein schlechtes Gewissen haben zu müssen. Aber der Reisende, der gerade das Archäologische Museum besucht (seine Vorliebe für alte Steine ist ja inzwischen bekannt), muss auch gegen andere, ebenfalls ungerechte Strafen protestieren, wie man sie hier über die Exponate verhängt hat, indem man sie mit kleinen, in sie eingesetzten Azulejos beschildert, eine Folklorepinselei schlimmster Art. Der Reisende stellt sich vor, wie der Desterrado von Soares dos Reis mit einer Kachel vor dem Bauch aussähe oder die Venus von Milo mit einer auf dem Schenkel oder ein wilder galicischer Krieger, wie der aus Viana, mit ultramarinblau glasierten Buchstaben auf der breiten Brust. Der Reisende ist empört. Um sich zu beruhigen, geht er auf die Brücke, die er bei seinem Eintreffen kaum wahrgenommen hatte, und betrachtet den Fluss. Der Rio Cávado ist an dieser Stelle wunderschön zwischen den hohen Ufern, die den städtebaulichen Bedürfnissen noch nicht zum Opfer gefallen sind. Dort befinden sich die Wassermühle, die, vom anderen Ufer aus betrachtet, der Kargheit der oberen Stadtmauer einen menschlichen Aspekt verleiht, die Palastruinen des Paço dos Condes und die Pfarrkirche, ein schwerer, wenn auch harmonischer Klotz. Der Puls des Reisenden beruhigt sich allmählich. Diese Einfahrt nach Barcelos entschädigt für das geschmacklose Museum, dessen Direktor bestimmt ein Nachkomme des Richters ist, der den Galicier verurteilt hat.
Als er das Wasser so fließen sieht, verspürt der Reisende Durst, und als er an den Hahn denkt, Hunger. Es ist Mittagszeit. Also macht er sich auf die Suche, späht und schnüffelt umher, überall riecht es gut, aber etwas scheint hier in gewisser Weise vorherbestimmt zu sein, ein Schub von hinten, der ihn immer weiter bis an sein Ziel führt: das Restaurante Arantes. Der Reisende geht hinein, setzt sich, bittet um die Karte und bestellt: kleine Schweinefleischklöpse, die sogenannten Papas de Sarrabulho , Stockfisch mit Kartoffeln, Vinho verde. Der Wein war so, wie ein Wein sein muss, unwiderstehlich und schnell geleert. Vom soliden Stockfisch, der mit genau der richtigen Soße und den richtigen Kartoffeln auf der Platte serviert wurde, lässt sich sagen, dass er ausgezeichnet war. Aber die Papas de Sarrabulho ,
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