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Die Portugiesische Reise (German Edition)

Die Portugiesische Reise (German Edition)

Titel: Die Portugiesische Reise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: José Saramago
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makellos in seiner Geometrie. Dies ist pure Schönheit. Aber der Reisende hat seine Schwächen und auch den Mut, sie zu gestehen: Ohne der Alten Kathedrale von Coimbra zu nahe treten zu wollen, tiefer berührt haben ihn die kleinen, einfachen romanischen Kirchen des Nordens, oft fast nackt und von allen Seiten beschädigt, innen und außen, abgeschliffen wie ein Kieselstein, aber dem Herzen so nah, dass man den Puls des Steines spürt. Hier in der Alten Kathedrale von Coimbra hat der Architekt ein Bauelement benutzt, das jenen ärmlichen Kirchen natürlich fehlt und für das der Reisende extrem empfänglich ist: das Triforium, die Galerie auf verstärkten Säulen, oberhalb der Seitenschiffe, eine der schönsten Erfindungen der Romanik. Das Triforium stellt das Gleichgewicht wieder her und bringt den Reisenden zurück auf den Pfad der Gerechtigkeit, die er der Alten Kathedrale schuldig ist. Beim Hinausgehen fällt ihm ein, dass in warmen Nächten auf diesen Stufen Fado gesungen wird. Das passt gut. Es wäre aber auch kein schlechter Ort, um Johann Sebastian Bach zu hören. Zum Beispiel.
    Es ist Zeit, zu Mittag zu essen, und das, wenn möglich, in angenehmer Umgebung. Und wirklich, er würde keinen Grund zur Klage haben. Er geht ins Nicola, wird von einem der inzwischen rar gewordenen Kellner bedient, die ihren Beruf ehren und ihm zur Ehre gereichen durch Gesten, Worte und würdevolles Auftreten. Hinzu kommt ein zartes, saftiges Steak, und der Reisende genießt ein königliches Mahl. Durch den Regen geht es weiter zur Santa Cruz. Ein paar Coimbraenser suchen Schutz unter dem bogen, darunter zwei Marktfrauen, die eine Unterhaltung führen, die man durchaus als ungezwungen bezeichnen könnte. Der Reisende gehört nicht zu den Menschen, die der Meinung sind, dass die Wände Ohren haben, und empfindet die Unterhaltung als doppeltes und gegenseitiges Geständnis, wie so manche, die man von der anderen Seite des Tores vernommen haben mag. Über das Portal lässt sich sagen, dass es eine Gemeinschaftsarbeit ist: Diogo de Castilho, Nicolas de Chanterenne, Jean de Rouen und Marcos de Pires haben hier ihre Spuren hinterlassen, abgesehen von den Steinmetzen, deren Namen nicht überliefert sind. Ein ebenfalls gemeinschaftliches Werk sind die Grabmäler der Könige Dom Afonso Henriques und Dom Sancho I.: wieder Diogo de Castilho und Chanterenne, und, da man ja nicht alles wissen muss, ein Anonymer, der in die Geschichte als Meister der Königsgräber einging, ein mehr als deutlicher Beiname.
    Sehr überrascht den Reisenden, Afonso Henriques hier liegen zu sehen, wo er ihm doch noch vor wenigen Tagen an der Burg von Guimarães begegnet war, samt seinem Pferd, beide ziemlich müde. Aber er sollte keine Späße mit diesen Dingen treiben; er betrachtet erst Afonso, dann Sancho, der eine hat das Land erobert, der andere hat es bevölkert, sieht sie dort liegen unter den wunderbaren gotischen Bögen und beschließt in seinem Herzen, an diesem Ort all die zu würdigen, die seit jenem 12. Jahrhundert dafür gekämpft und gearbeitet haben, dass Portugal zu dem wurde, was es heute ist. Würde man die Deckel dieser Särge anheben, sähe man ein Ameisenheer von Männern und Frauen, darunter einige, die diese Steine aus dem Steinbruch holten, sie hierherbrachten und formten und dann zum Abendessen auf ihnen saßen und aßen, was die Frauen gekocht hatten, und wenn der Reisende hier keinen Punkt macht, dann hat er am Ende die Geschichte Portugals erzählt.
    Wenn man eintritt, ist linker Hand die Kanzel. Viel Stein hat Jean de Rouen hier gemeißelt, und das wunderbar. Diese Kanzel ist eine Kostbarkeit; ein Prediger dort oben brauchte kein Wort zu sagen, ein Blick auf die Figuren der Kirchenlehrer sollte genügen, die Gemeinde zu beglücken und ihren Glauben an Gott, aber auch an die Kunst, zu festigen.
    Schön sind auch die Azulejos, mit denen die Wände des Schiffes verkleidet sind, aber Azulejos sollten in homöopathischen Dosen betrachtet werden; wenn man es übertreibt, wird einem schwindelig. Das Angebot reicht jedenfalls von geschichtlichen Motiven im Hauptschiff bis hin zu den teppichmusterartigen in der Sakristei. Hier gibt es auch schöne Malerei zu sehen, zum Beispiel das Pfingstwunder von Vasco Fernandes oder die Kreuzigung und den Ecce-Homo von Cristóvão de Figueiredo. Zufrieden geht der Reisende an den Kirchenbänken entlang zurück und stellt abschließend fest, dass Santa Cruz sehr schön ist. Als er hinauskommt, sind die Frauen

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