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Die Portugiesische Reise (German Edition)

Die Portugiesische Reise (German Edition)

Titel: Die Portugiesische Reise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: José Saramago
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Dann die Senhora do Ó , aus dem 14. Jahrhundert, von Mestre Pero, einem portugiesischen Genie, dessen Biographie er gern erfinden würde. Die Senhora befindet sich im Zustand fortgeschrittener Schwangerschaft und tastet mit der Handmuschel nach dem menschlichen Knäuel, das sie in sich trägt. Den Kopf leicht geneigt, sieht sie uns aus ihren steinernen Augen an. Und da ist der Engel aus der Kathedrale von Porto, kompakt, romanisch, und der Cristo Negro , den der Reisende bei aller Bewunderung für ihn nie dem Gekreuzigten im Museum von Aveiro vorziehen würde. Schließlich, aus einer ganz anderen Epoche, die phantastischen Apostel von Hodart, auch dieser ein Modellierer von Menschen, denn das sind sie, die Gefährten, die zu diesem letzten Abendmahl zusammengekommen sind und in dem Ton, aus dem sie gefertigt wurden, die feurige Masse menschlicher Leidenschaften tragen, die Wut, den gerechten Zorn, das Ungestüm. Diese Apostel sind Kämpfer, Partisanen, die sich gemeinsam an den Tisch der Verschwörung setzten und in dem Augenblick, als Hodart kam, mitten in der Diskussion darüber waren, ob man die Welt retten sollte oder darauf warten, dass sie sich selbst rettete. An diesem Punkt waren sie noch immer und zu keiner Entscheidung gekommen.
    Da sich die Renaissance in Portugal von Coimbra aus ausgebreitet hat, ist es nicht verwunderlich, dass auch ihre Wegbereiter Nicolas de Chanterenne und Jean de Rouen hier vertreten sind, denen der Reisende auf seiner Route bereits begegnet ist. Man sehe sich einmal die spektakuläre (der Reisende mag das Wort nicht, findet aber kein anderes) Capela do Tesoureiro von Jean de Rouen oder die Virgem Anunciada von Chanterenne an, eine der wunderbarsten Skulpturen, die man je gesehen hat. Der Reisende könnte ewig so fortfahren, bei der Malerei möchte er sich jedoch auf die Werke Mestre do Sardoals und einiger Flamen beschränken, denn die Malerei ist nicht die Stärke des Museums. Schmuck und Edelsteinen schenkt er nur bedingt Aufmerksamkeit, schnell kommt er wieder auf die Keramiken zurück, die eine wahre Augenweide sind.
    Jetzt geht es in die Tiefe. Er verlässt die höheren Regionen, wo es, nebenbei bemerkt, regnet, und folgt, der er nicht Dante ist, seinem Führer, der nicht Vergil heißt, durch die spärlich beleuchteten Flure des Kryptoportikus. Hier kommt der Reisende, der, wie bereits erwähnt, kein Freund von Marmor ist, in den Genuss grob behauenen rauen Steines. Die Hand darüber gleiten zu lassen erfüllt ihn mit sinnlicher Freude, er spürt die schroffe Oberfläche in den Fingerkuppen, so wenig bedarf es, um einen Reisenden glücklich zu machen. Die Reihe der Bögen ist wie ein unendlicher Spiegel, und die Atmosphäre wird so dicht und geheimnisvoll, dass der Reisende sich nicht wundern würde, am anderen Ende sich selbst zu begegnen. Dazu kommt es glücklicherweise nicht. Der Führer wäre sicher besorgt, würde er dem Reisenden bei seinen Selbstgesprächen zuhören, auch wenn er nur die verletzte Lippe Agrippinas beklagte. Jetzt geht es wieder hinauf und draußen auf der Straße hinab zur Alten Kathedrale, und herab fällt auch der Regen, strömt die Rinnsteine entlang, und das wiederum bringt ihn auf einen anderen Gedanken, er denkt an das Wasser, das im Minho durch die Straßengräben floss, wie klein doch die Welt ist, all diese Erinnerungen stecken in so einem kleinen Raum wie dem Kopf des Reisenden. Plötzlich hört es auf zu regnen. Der Reisende schließt den Regenschirm und sieht, bevor er die Kathedrale betritt, zu seiner großen Beunruhigung zwei Männer, die auf hohen, an die Mauer gelehnten Leitern stehen und das Unkraut zwischen den Steinen herausreißen. Da der Bürgersteig abfällt, sind die Leitern festgekeilt, und zwar mit kleinen losen Steinen. Es passiert zwar nichts, während der Reisende dort ist, aber mit einer vernünftigen Klappleiter wäre den beiden sicher besser gedient gewesen.
    Wenn der Reisende die Romanik wirklich so schätzt, wie er sagt, dann sollte er an der Alten Kathedrale einigen Gefallen finden, denn diese gilt allgemein als das schönste romanische Bauwerk in ganz Portugal. Der Reisende ist sprachlos angesichts der Robustheit der Grundformen, der Schönheit der Bauelemente, die in den folgenden Epochen dazukamen, wie die Porta Especiosa, und als er hineingeht, sind es die gewaltigen Säulen und der Schwung der hohen Kuppel, die ihn betören. Er befindet sich in einem vollkommenen Bauwerk, durch und durch logisch konstruiert und

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