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Die Portugiesische Reise (German Edition)

Die Portugiesische Reise (German Edition)

Titel: Die Portugiesische Reise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: José Saramago
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die Straße verläuft so kurvenreich, dass man den Ort aus den Augen verliert und schon meint, vorbeigefahren zu sein; und wenn man dann im Tal ist, muss man einen Umweg fahren, um dorthin zu gelangen. Hier fließt wieder der Ceira, ein sehr schöner, aber auch sehr scheuer Fluss.
    In Góis will sich der Reisende das Grabmal von Dom Luís da Silveira ansehen, das Kennern zufolge Hodart zugerechnet wird. Das lässt sich jedoch bezweifeln. Wenn es stimmt, dass die Apostel von Hodart sind, und das sind sie, jene getriebenen Gestalten, deren Arterien auf der Oberfläche des Tons pulsieren, dann kann der Reisende beim besten Willen keine schöpferische Gemeinsamkeit zwischen ihnen und dieser knienden Figur erkennen. Er weiß sehr wohl, dass die Materie die Form bedingt und dass die Plastizität des Tons in ihrer Ausdruckskraft der Klarheit des Steins überlegen ist, aber seine Zweifel bleiben bestehen. Das ändert nichts daran, dass es sich bei der knienden Statue um ein Meisterwerk handelt, ungeachtet der zweifelhaften Klassifikation. Der Bogen, der jedenfalls nicht vom selben Künstler stammt, fällt durch seine wunderbaren Renaissance-Verzierungen auf. Nach Góis ist es ein weiter Weg, aber dieses Grabmal ist die Reise wert. In einer Seitenkapelle findet der Reisende später eine einzigartige Darstellung der Heiligen Dreifaltigkeit mit der Jungfrau, in der die Figuren auf einer Wolke stehen, die von drei Engeln durch die Luft getragen wird, wobei als Schlepptau, soweit der Ausdruck gestattet ist, die Enden der Umhänge der göttlichen Personen dienen. Der Maler wusste genau, dass Wolken nicht zu trauen ist, weil sie sich ganz plötzlich in Regen verwandeln können, was der Reisende zur Genüge am eigenen Leibe erfahren konnte und was sich noch einmal bestätigt, als er die Pfarrkirche verlässt. Der Ceira spielt Verstecken mit der Straße. Während man ihn schon weit entfernt wähnt, taucht er in Vila Nova wieder auf, um sich hier schließlich tatsächlich zu verabschieden. Die Strecke nach Penacova ist ein ewiges Auf und Ab, ein Knäuel von Kurven, das nahe dem Mondego schwindelerregend wird, wenn es gilt, den enormen Höhenunterschied vor Rebordosa zu überwinden. Den Plan, noch nach Foz do Caneiro zu fahren, wenn er den Fluss überquert hat, gibt er an dieser Stelle auf. Da sein nächstes Ziel Lorvão heißt, wird er sich mit den vier Kilometern Uferstraße begnügen, die zwischen Penacova und Rebordosa liegen. Endlich hat er die Brücke erreicht, jetzt geht es nur noch bergauf bis nach Penacova, ein Name, dem es gelingt, einen Widerspruch aufzulösen, indem er Höhe ( pena = Feder) und Tiefe ( cova = Höhle) friedlich vereint. Was einleuchtet, wenn man entdeckt, dass der Ort auf halber Höhe angesiedelt ist: Wer von oben kommt, sieht ihn unten, wer von unten kommt, oben. So einfach das ist, so kalt ist es hier auch. Der Reisende isst in einem eiskalten, feuchten Raum zu Mittag. Von der Garderobe, die ihn draußen wärmte, hat er nicht einen Fitzel abgelegt, und dennoch ist er starr vor Kälte. Die Bedienstete ist warm eingepackt und stark vergrippt, die Nase rot angelaufen. Als wären sie am Polarkreis. Und wenn das Essen auch ausgezeichnet ist, so genügt der Weg von der Küche zu seinem Tisch, um es kalt werden zu lassen.
    Der Reisende bricht in düsterer Stimmung auf. Um einen Begriff davon zu bekommen, wie düster diese Stimmung wurde, stelle man sich vor, wie der Reisende sich gefühlt haben mag, als er feststellte, dass die Tankstelle geschlossen war und erst um drei Uhr wieder öffnen würde. In solchen Fällen hilft es, sich der Tugend der Geduld zu erinnern. Das bedeutete, sich die Pfarrkirche anzusehen, und zwar doppelt so lange wie nötig, was in diesem Fall nicht viel war, den Blick auf das Mondego-Tal zu genießen und sich die Berge anzusehen, auf der Suche nach irgendeinem Aspekt, der sie von den Hunderten davor unterschied und eine längere Betrachtung rechtfertigte. Die Menschen in Penacova sind wahrscheinlich sehr zufrieden mit dem Reisenden, schließlich scheint er den Ort so sehr zu mögen, dass er den Aussichtsturm gar nicht mehr verlässt, selbst dann nicht, als es anfängt zu nieseln. Ein Mann muss seinem Ärger Luft machen, sonst platzt er.
    Endlich ist es drei, und er kann nach Lorvão fahren. Hier ist das Ende der Welt. Vielleicht wäre die Landschaft ganz hübsch, wenn die Sonne schiene, aber selbst das bezweifelt der Reisende. Alles hier ist schwer und streng und ein bisschen

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