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Die Portugiesische Reise (German Edition)

Die Portugiesische Reise (German Edition)

Titel: Die Portugiesische Reise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: José Saramago
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davorstand oder sich aus den Fenstern lehnte. Einfache Zeiten waren das damals, aber gute, denkt der Reisende angesichts dieser Praktiken: Es gab keine dicken Türen und Samtvorhänge, und wenn es regnete, unterbrach man vielleicht die Sitzung, damit Anwesende und Passanten unter dem Vordach Schutz suchen konnten.
    Das 16. Jahrhundert war eine große Zeit für das Bauwesen. Dem Reisenden ist aufgefallen, dass die meisten alten Gebäude in dieser Gegend und ebenso in vielen anderen, in denen er gewesen ist, aus dem 16. Jahrhundert stammen. Wie zum Beispiel auch dieses Haus mit einem wunderschönen Fenster zur Straße hin, anmutigen Seitenpfeilern und einem gezackten Sturz. Niemals wird er in diesem Haus leben, aber es bereitet ihm Vergnügen, sich vorzustellen, wie schön es wäre, von hier aus die Landschaft um Linhares zu betrachten, mit dem Cabeça Alta, der mehr als eintausendzweihundert Meter hoch ist. Der Führer wartet geduldig, bis der Reisende mit seinen Betrachtungen fertig ist, und geht dann mit ihm zur Pfarrkirche, wo sich die prachtvollen, Vasco Fernandes zugeschriebenen Tafelbilder befinden, auf denen die Verkündigung , die Anbetung der Heiligen Drei Könige und die Kreuzabnahme zu sehen sind. Genauso schön ist der Bogen über der Seitentür mit den beiden Archivolten, der äußere mit geometrischen Formen und der innere mit diversen Darstellungen verziert, die auf ihren romanischen Ursprung schließen lassen. Von links nach rechts sieht man einen sechszackigen Stern innerhalb eines Kreises, ein Kreuz, ein schachbrettartiges Motiv, ein Schwert, auf dem ein Raubvogel zu sitzen scheint (ob hier wohl der Falke aus dem Wunder sein Zuhause gefunden hat?) und schließlich eine menschliche Figur mit erhobenem Arm. Das Tympanon ist unverziert.
    Die Burg muss riesig gewesen sein. Darauf weisen die beiden Granittürme hin, die Höhe der Mauern, die ganze Atmosphäre einer Festung, die man im Innern spürt. Und das ist auch gut so, denn zu Zeiten der Kriege gegen die Sarazenen war das hier ein Vorposten der Portugiesen. Es regierte ein Herr namens Dom Dinis, auf den der Reisende noch zu sprechen kommen wird. Wer weiß, ob nicht gerade in dieser Burg dem Dichterkönig die Inspiration kam, als er auf die Pinienwälder dort unten blickte: »Ach, ihr Blüten, ihr Blüten grüner Zapfen.« Der Reisende ist heute sehr phantasievoll, aber er sollte es nicht übertreiben, denn dieses ist die Mittagspause des Maurers, der ihn begleitet, und es ist Zeit, Linhares Lebewohl zu sagen, einem Ort, der von weitem aussieht wie das griechische Mykene und auch genauso schwer zu erreichen war.
    Er kehrt zurück auf die Hauptstraße, diesmal auf dem richtigen Weg, und als er in Richtung Celorico da Beira unterwegs ist, sieht er im Vorbeifahren den Weg über die Quintãs und schüttelt noch einmal den Kopf über seinen Fehler. Auch diesmal hält er nicht in Celorico, er will noch zum Mittagessen in Trancoso sein. Die Straße führt durch ein Gelände mittlerer Höhe, in dem überall, vereinzelt oder in Gruppen, jene barrocos genannten Granitblöcke übereinanderliegen, in einem scheinbar nicht stabilen Gleichgewicht, das tatsächlich aber nur große Mengen Sprengstoff stören könnten. Tonnen über Tonnen liegen da, und der Reisende stellt sich die typische naive Frage: »Wie sind die wohl da hingekommen?«
    Trancoso entspricht nicht ganz seiner Vorstellung. Er hatte einen Ort mit mittelalterlicher Architektur erwartet, umgeben von Mauern in historischer Atmosphäre. Die Mauern sind da und auch das Historische, aber der Reisende fühlt sich nicht wohl. Das Essen ist weder gut noch schlecht, er sieht sich einige Sehenswürdigkeiten an, von denen ihm ein paar auch gut gefallen, und trotzdem ist er am Ende frustriert und verspürt ein Gefühl, das er in den Worten zusammenfasst: »Einer von uns beiden hat den anderen nicht verstanden.« Genau genommen ist er es, der Trancoso nicht versteht. Aber gefallen hat ihm die Kirche São Pedro, mit dem Grabstein des Schuhmachers und Propheten Bandarra, und da er schon vorher wusste, dass in der Capela de São Bartolomeu, die heute nicht mehr existiert, Dom Dinis und Dona Isabel de Aragon geheiratet haben, kommt ihm der Gedanke, dass die Geschichte, insbesondere die fiktive, bestimmte Episoden gern zusammenführt, wie in diesem Falle das Leben eines Schuhmachers, der die Zukunft voraussieht, und das einer Königin, die aus Brot Rosen macht. Außerdem gefallen hat ihm die Kirche Nossa Senhora da

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