Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Portugiesische Reise (German Edition)

Die Portugiesische Reise (German Edition)

Titel: Die Portugiesische Reise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: José Saramago
Vom Netzwerk:
Reisende ist froh, dass man ihn in Cidadelhe für einen guten Menschen hielt, und in dieser Nacht träumt er vom Pallium.

Ein Ort, der einmal Malva hieß
    Für die Zeit, in der sich der Reisende in dieser Gegend aufhält, hat er seine Zelte in Guarda aufgeschlagen. Heute wird er die Straße nach Viseu nehmen, bis nach Celorico da Beira fahren und von dort aus seine Ausflüge unternehmen, um dann jeweils wieder an den Ausgangspunkt zurückzukehren. Das Wetter ist wie an den Tagen zuvor herrlich. Das hat der Reisende verdient, Regen und Nebel hat er mehr als genug gehabt, doch er will sich nicht beklagen, manchmal war es auch von Vorteil. Aber heute wäre es schade, denn dann könnte er sich nicht an dem weiten, tiefen Tal erfreuen, durch das der Mondego fließt, noch zu Beginn der großen Schleife, die ihn an den nördlichen Ausläufern der Serra da Estrela vorbeiführt und dann durch flaches Land bis hin zum Meer. Es schien das Schicksal des Mondego zu sein, in den Douro zu münden, aber auf dem Weg dorthin traf er auf den Höhenzug zwischen Açores und Velosa und den Berg von Celorico, und so wurde aus ihm der längste in Portugal entspringende Fluss. Einigen Menschen ergeht es nicht anders.
    Der Reisende fährt zunächst nach Aldeia Viçosa, ein erst kürzlich verliehener Name, denn die Bewohner schämten sich dafür, dass ihr Ort Porco (dt. Schwein) hieß, und bestanden auf einer Namensänderung. Das war keine gute Idee. Aldeia Viçosa bedeutet so viel wie strotzendes Dorf und klingt wie der Name eines Touristenkomplexes, Porco hingegen war das Erbe von Generationen, er stammte aus einer Zeit, in der in diesen Wäldern noch Wildschweine lebten; und wurde eines erlegt, gab es große Freude und besseres Essen. Den Namen des Dorfes zu ändern war ein Akt der Undankbarkeit. Nun gut, der Reisende kümmert sich wieder um seine eigenen Angelegenheiten, er wirft einen Blick auf die strotzende Landschaft an den Ufern des Flusses und stellt fest, von wie weit oben er kommt. Jetzt, da es wieder bergauf geht, fallen ihm die Häuser der Feldarbeiter auf, die über das Tal verstreut stehen. Viel Arbeit war nötig, um aus diesem Land einen Garten zu machen. Die Straße ist schmal, überschattet von hohen Bäumen, hier und da die Einfahrt zu einem Landgut, imposante Häuserfronten. Plötzlich dann eine Kurve, und dahinter liegt Aldeia Viçosa.
    Die Pfarrkirche wirkt auf den ersten Blick befremdlich. In einer Gegend voller Romanik und Barock plötzlich in diesem kleinen Dorf Porco auf ein neoklassizistisches Bauwerk zu stoßen ist erstaunlich. Im Innern allerdings finden sich weit ältere Elemente wie zum Beispiel das aus dem 16. Jahrhundert stammende Grabmal des 1562 verstorbenen Estêvão de Matos und seiner Frau Isabel Gil, deren Todesjahr anscheinend niemand für erwähnenswert hielt. In der Kirche zu sehen sind: ein hübsches Tafelbild, ebenfalls aus dem 16. Jahrhundert, auf dem die Jungfrau mit Kind und musizierenden Engeln dargestellt ist, sowie an der gewölbten Decke im Chorschiff Malereien, die die vier Kirchenväter zeigen, auf jeder Seite zwei, in großen Proportionen vor einem Hintergrund aus Blättern und Pflanzenvoluten. Neben der neoklassizistischen Fassade ist das eine weitere Überraschung, die Aldeia Viçosa zu bieten hat. Aber auch die Skulpturen sind sehenswert, allen voran der wunderschöne hölzerne São Lourenço aus dem 17. Jahrhundert.
    Zurück auf der Hauptstraße, biegt der Reisende ein Stück weiter in einen Feldweg ab, der der Karte nach die Straße nach Açores sein muss. Wenn das eine Straße ist, dann ist der Reisende ein Falke, und wenn man bei Trockenheit schon so aufpassen muss, wie dann erst bei Schlamm und Regen? Am Ortseingang von Açores befindet sich das Marktgelände, ein großes Feld, das auf den ersten Blick in keinem Verhältnis zur heutigen Bedeutung der Ortschaft steht. Früher war Açores einmal Kreisstadt gewesen, und das, was der Reisende als Marktgelände bezeichnet hat, war auch der Platz, wo die Pilger der Schutzpatronin Nossa Senhora dos Açores kampierten. Das Gebäude mit dem Säulenpranger davor war das Rathaus. Man hat es entstellt, in die einstige Mauerfläche wurden Öffnungen für Türen geschlagen, aber auch so ist es eine Augenweide. Açores wirkt verlassen, es erinnert irgendwie an Tentúgal: dieselbe Stille, dieselbe Leere, selbst die Proportionen sind ähnlich. Der Reisende glaubt, dass der Ort zu seiner Zeit in diesem Teil der Beira berühmt gewesen sein

Weitere Kostenlose Bücher