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Die Portugiesische Reise (German Edition)

Die Portugiesische Reise (German Edition)

Titel: Die Portugiesische Reise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: José Saramago
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Das Beste an der Kirche von Cidadelhe ist die Kassettendecke, ein Fest der Heiligenbilder, die fachkundiger behandelt wurden als die des heiligen Sebastian. Den Reisenden ärgert es, nicht in Erfahrung bringen zu können, wer sie gemalt hat, welch schöpferischer Geist in dieser Kirche gelebt und worüber er mit dem Pfarrer gesprochen hat, wie er vom Volk aufgenommen wurde, das regelmäßig nach dem Fortschreiten der Arbeit sah, welche Gebete in diesen heiligen Hallen gesprochen wurden und wofür. Er liest die Namen der Heiligen, und die alten Frauen begleiten ihn, und da sie nicht lesen können, sind sie manchmal überrascht, den Heiligen zu sehen, dessen Namen sie kannten: »São Mathias, Santa Ilena, São João, São Jeronimo, der heilige Antonius, Santa Thereza de Jesus, Santa Apolonia, São Joze.« Die Bilder stammen aus dem 16. Jahrhundert, ein kostbarer hagiographischer Katalog, hoffentlich steht es in der Macht dieser Heiligen, sich auch selbst zu schützen.
    So sollte eine Reise sein. Sich an einem Ort befinden und dort bleiben. Der Reisende ist unruhig, man sieht es ihm an. Zusammen mit José António Guerra geht er hinaus und hinauf bis zu einer Anhöhe, dem höchsten Punkt von Cidadelhe. Man hört die Vögel singen, die Augen wandern über die Berge, eine weite Welt tut sich auf. »Schon als kleiner Junge war ich gern hier«, sagt sein Begleiter. Der Reisende antwortet nicht. Er denkt an seine eigene Kindheit, an sein inzwischen fortgeschrittenes Alter, an die Menschen hier und anderswo und entfernt sich ein Stück. Jetzt ist jeder bei sich, und beide sind bei allem.
    »Es ist Zeit für einen Imbiss«, sagt Guerra. »Ich schlage vor, wir gehen zu meiner Schwester.« Sie laufen denselben Weg wieder hinunter, den sie gekommen sind, der Cidadão steht noch an seinem Platz und hält Wache, und sie gehen erst einmal in eine Kneipe und trinken ein Glas Rosé, der sauer ist, aber von einer guten Traube, dann steigen sie die Stufen zum Haus hinauf, und Laura empfängt sie an der Tür: »Kommen Sie rein, fühlen Sie sich wie zu Hause.« Ihre Stimme ist weich, ihr Gesicht ruhig, und auf der ganzen Welt kann es keine klareren Augen geben. Auf dem Tisch stehen Brot, Wein und Käse. Das Brot ist groß und rund; um es zu schneiden, muss man es gegen die Brust drücken, und dabei bleibt das Mehl an den Kleidern kleben, in diesem Fall an der dunklen Bluse der Hausherrin, und sie schüttelt es ab, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden. Dem Reisenden entgeht nichts, das ist seine Aufgabe, auch wenn er etwas nicht versteht, muss er es wenigstens aufnehmen und weitergeben. Guerra fragt: »Kennen Sie das Sprichwort vom Brot, vom Käse und vom Wein?« »Nein.« »Es geht so: Das Brot hat Augen, der Käse hat keine Augen, der Wein geht in die Augen. So sagt man hier.« Der Reisende will nicht glauben, dass diese Beschreibung universelle Gültigkeit hat, aber in Cidadelhe will er sie gern gelten lassen, außerdem wüsste er ihr auch nichts entgegenzusetzen.
    Der Imbiss ist beendet, es ist Zeit aufzubrechen. Der Reisende verabschiedet sich herzlich und geht hinaus auf die Straße, während Guerra noch ein paar Worte mit seiner Schwester wechselt, die zu ihm sagt: »Sie warten in As Eiras.« Was meint sie wohl, fragt er sich. Bald wird er es wissen. Als er zur Kapelle São Sebastião kommt, stehen dort dieselben alten Frauen und ein paar andere jüngere. »Das Pallium«, sagt Guerra. Die Frauen öffnen langsam eine Schachtel, holen einen in ein weißes Handtuch gewickelten Gegenstand heraus und entfalten, alle zusammen, jede mit der ihr eigenen Bewegung, als führten sie ein Ritual durch, scheinbar endlos das große karminrote, mit Gold, Silber und Seide bestickte Samttuch, in der Mitte das opulent eingefasste Motiv der von zwei Engeln emporgehobenen Monstranz, umgeben von Blumen, verflochtenen Bändern, Zinnkügelchen, eine Pracht, die nicht in Worte zu fassen ist. Der Reisende ist begeistert. Er will es von nahem sehen, greift nach dem unvergleichlich weichen Samt und liest in einer gestickten Inschrift ein Wort und ein Datum: »Cidadelhe, 1707«. Dieses ist der Schatz, den die Frauen in Schwarz eifersüchtig bewahren und verteidigen, obwohl es doch schwer genug ist, das eigene Leben zu bewahren und zu verteidigen.
    Auf dem Weg zurück nach Guarda sagt der Reisende, als es schon spät ist: »Also war das Pallium gar nicht in Reparatur.« »Nein. Sie wollten sich erst vergewissern, dass Sie ein guter Mensch sind.« Der

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