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Die Portugiesische Reise (German Edition)

Die Portugiesische Reise (German Edition)

Titel: Die Portugiesische Reise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: José Saramago
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Säulen des Vordachs zu sehen gibt, geht in die Kirche hinein und wieder heraus, sieht sich den hohen Pranger an, aber diesmal ist niemand da, den er ansprechen könnte. Vor den Türen sitzen ein paar Alte, doch sie sehen so traurig aus, dass es dem Reisenden peinlich wäre. Er geht weiter, sieht sich die verwahrlosten steinernen Wildschweine an, die das Tor in der Mauer bewachen, und macht sich wieder auf den Weg. Castelo Bom, ein Stück weiter, dem er einen Besuch hatte abstatten wollen, bleibt auf der Strecke. Manchmal kann einem die eigene Klarheit zusetzen: sich selbst von außen zu betrachten und sich zu fragen, was mache ich hier, ich reise durch die Weltgeschichte, und für diese Menschen ist das Leben so schwer.
    Zwischen Vilar Formoso und Almeida gibt es nichts zu sehen. Flaches Land, das den sicherlich falschen Eindruck erweckt, es wäre unbewohnt, da unmöglich so weite Landstriche unbewirtschaftet sein können. Aber dieser Teil der Beira scheint völlig ausgestorben, vielleicht weil die Gegend immer wieder überfallen wurde.
    Almeida ist eine Festung. Aus der Luft ließe sich die polygonale Form der Festungsanlagen, der Schnitt der Basteien und die Anordnung der Gräben besser erkennen. Trotzdem erhält der Reisende einen guten Eindruck von der Anlage, indem er an der Festungsmauer entlangwandert und ihre Höhe mit dem Auge abschätzt. Diese Bauten stammen aus einer anderen Zeit, in der auch die Kriege anders waren. Man kämpfte dicht am Boden, durch die Luft kamen nur Bomben, die nicht stark genug waren, die Torbögen zu durchbrechen, kurzum, ein Ameisenkrieg. Heute ist Almeida eine historische Reliquie wie eine Hellebarde oder eine Arkebuse. Und der zivile Teil des Städtchens unterstreicht durch seine Stille und Zurückgezogenheit nur noch die überall spürbare Entfremdung.
    Der Reisende fährt weiter nach Vermiosa, er will zur Grenze und sehen, wie es dort aussieht. Die Felder sind groß, mit ihrem Grün und Humus farbiger, man sieht sie über weite Strecken. Vermiosa zeigt sich nicht von seiner besten Seite: Die Straßen sind dreckig, es sind kaum Menschen unterwegs, man hat den Eindruck, hinter diesen Türen und Fenstern lebt niemand. Was Vermiosa rettet, ist der betörende Duft einer Mimose, der Atem der Natur. Der Reisende geht hinauf zur Kirche, kein Erwachsener, kein Kind ist da, um Neuigkeiten aus der Welt zu erfahren oder ihr vielleicht etwas mitzuteilen. Allein sieht er sich im Innern des Bauwerks um, auf Bögen errichtet, die aussehen wie die riesigen Rippen eines Wales, dann geht er in die Sakristei, deren ansehnliche Deckenmalereien sich durch ihre achteckige Form auszeichnen.
    Aus mangelnder Orientierung fährt er nicht gleich nach Escarigo, was am nächsten gelegen hätte. Stattdessen macht er überflüssigerweise einen großen Bogen über Almofala, wo es nicht viel zu sehen gibt, abgesehen von dem Kreuz kurz vor dem Ort an einem Weg, den früher die Pilger nach Santiago de Compostela nahmen. Dieses Kreuz setzt sich aus mehreren kleineren Kreuzen übereinander zusammen und ist mit einer Kammmuschel, auch Pilgermuschel genannt, und verschiedenen liturgischen Motiven versehen. Außerdem stehen dort, etwas weiter abgelegen, auf einem Hügel, wo der Reisende dann doch nicht mehr hingehen will, die Überreste einer romanischen Kirche, die später umgebaut und von Mönchen bewohnt wurde. Das, wie gesagt, bevor man nach Almofala kommt, kurz vor der Brücke, die über den Fluss Aguiar führt. Später ärgert sich der Reisende darüber, nicht doch den Umweg genommen zu haben. Er, der sonst immer die Hand auf den Stein legen muss, um zu wissen, wie der Stein ist. Augen sehen viel, aber eben nicht alles.
    Als er nach Escarigo kommt, muss er um einiges kämpfen. Natürlich nicht, was die Einfahrt in die Stadt betrifft. Barrikaden gibt es jedenfalls keine, und wenn, dann hätten sie auf der anderen, der spanischen Seite stehen müssen. Auch will niemand einen Geleitbrief sehen. Man merkt jedoch, dass man sich auf internationalem Boden befindet. Drei Spanier aus La Bouza sprechen mit Portugiesen in einer Sprache, die weder ihre noch unsere ist, sondern ein Grenzdialekt, der dem Reisenden vorkommt, als wollte man Fremde damit verspotten. Auch gibt es keinen Streit, als er die feierliche, wenn auch nicht gefeierte Frage stellt: »Können Sie mir sagen, wie ich zur Kirche komme?« Manchmal muss man nicht fragen, man sieht sofort den Glockenturm, den Giebel, die Spitze, also alles, was die anderen

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