Die Porzellanmalerin
ist nichts Wichtiges, ich erzähle es dir später. Lass mich hier nur das Holz fertig hacken. Ich will nachher nicht noch mal damit anfangen müssen - wenn wir kein Holz haben, kannst du nämlich nicht kochen. Es war ja kaum noch was da!«
Der letzte Satz hatte wie ein Vorwurf geklungen, was nicht ihre Absicht gewesen war. Aber Friederike fragte sich manchmal wirklich, wie Josefine gelebt hatte, bevor sie bei ihr eingezogen war. Wer hatte das Holz für sie gehackt? Das konnte Josefine nur selbst erledigt haben. Nun, da sie einen »Mann« im Haus hatte, musste eben dieser alle schweren Arbeiten erledigen - so einfach schien ihre Logik zu sein. Aber dass sie ihr dann auch noch Vorhaltungen machte, zu männlich geworden zu sein!
Friederike hob erneut die schwere Axt über den Kopf und ließ sie mit einem kräftigen Hieb auf den Buchenstamm niedersausen. Sie dachte daran, wie viel sie arbeitete und wie wenig Josefine tat. Den ganzen Tag war sie in der Manufaktur gewesen, hatte sich mit Johannes gestritten, wer das langweilige Streublümchen-Service bemalen musste. In den letzten Monaten hatte sie eine regelrechte Abneigung gegen die kleinen Deutschen Blümchen entwickelt, die so gar nichts Exotisches oder
Herausforderndes an sich hatten. Bei der Auseinandersetzung hatte sie am Ende den Kürzeren gezogen, weil Johannes sich mit anderen Aufträgen herausgeredet hatte. Dann hatte Benckgraff ihnen eröffnet, dass er wegen der zunehmenden Fehlbrände einen der Brenner der Manipulation verdächtige, und sie gebeten, ein Auge auf den Mann zu haben. Schließlich hatte er beiläufig noch erwähnt, dass demnächst ein neuer Mitarbeiter aus Meißen zu ihnen stoßen würde. Er wolle aber noch keinen Namen nennen. Und auch nicht sagen, in welcher Abteilung der neue Kollege tätig werden würde. Und nun fing auch noch Josefine an, sie zu kritisieren! Die Freundin hatte zwar versucht, ihre Vorwürfe zu kaschieren, was ihr aber nicht gelungen war.
Als Friederike wieder einen Korb mit gehacktem Holz gefüllt hatte, war sie klatschnass geschwitzt. Es war Ende Juli und kühlte sich auch gegen Abend kaum ab. Manchmal fragte sie sich, ob sie etwa in die Tropen ausgewandert war. In Meißen waren die Sommer viel angenehmer gewesen. Zart und lau. Tagsüber heiß, aber mit einer angenehmen Abkühlung am Abend. In Höchst war die Hitze so groß, dass sie aus ihrer Dachkammer zum Schlafen in den Hof gezogen war. Dabei war sie doch nach Westen geritten und nicht nach Süden. Oder doch?
Gern hätte sie in einem der großen Atlanten nachgeschlagen, die ihr in ihrem Meißener Zuhause zur Verfügung gestanden hatten. Was wohl ihre Eltern gerade machten?, fragte sie sich kurz. Bestimmt saß ihr Vater, wie immer in seine Bücher versunken, in seinem Kontor, während ihre Mutter bei irgendeinem Kaffeeklatsch weilte. Ob sie sich nach ihnen sehnte? Wahrscheinlich schon, musste sie sich eingestehen. Aber andererseits wäre sie längst mit Per Hansen verheiratet, hätte sie nicht die Flucht ergriffen. Nein, auch wenn trotz Josefines schwunghaftem Gewürzhandel in der Nachbarschaft ein Atlas wohl für immer unerschwinglich für sie bleiben würde, hätte sie ihr neues Leben um keinen Preis gegen ihr altes eintauschen wollen.
Friederike hieb das Beil in den Hackklotz und brachte den
Korb mit den Scheiten in den Schuppen. Dann nahm sie den Ledereimer und goss sich seinen ganzen Inhalt über den Kopf. Das Wasser war lauwarm. Semiramis, die graue Katze, war die ganze Zeit hinter ihr hergeschlichen und stob nun entsetzt davon, als ein paar Wassertropfen auf sie niederregneten.
Friederike tauchte den Eimer gleich noch einmal tief in die Tonne. Das Wasser wusch zwar den Schweiß von ihrem Körper, befreite aber ihren Kopf nicht von den Sorgen, die sie umtrieben. Wer war der neue Kollege, der aus Meißen zu ihnen stoßen würde? Ob es jemand war, den sie von früher kannte? Und wenn ja, würde der Mann sie ebenfalls erkennen? Natürlich sah sie heute anders aus als damals: eben viel männlicher. Und nicht alle Mitarbeiter der Meißener Manufaktur hatten sie überhaupt jemals zu Gesicht bekommen. Aber die Höchster Kollegen würden dem Neuen sicher erzählen, dass auch sie, Friedrich Christian Rütgers, aus Meißen sei, und der Mann würde zu Hause Erkundigungen über sie einholen.
O Gott! Sie lachte kurz auf. Der schlimmste Fall wäre natürlich, wenn es sich um ihren Bruder Georg handelte! Sollte sie vorsichtshalber gleich zu Benckgraff gehen und ihm alles
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