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Die Porzellanmalerin

Titel: Die Porzellanmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Marten
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und er hat Höroldt oder Kaendler abgeworben! Wir sind in allen Abteilungen unterbesetzt - es könnte fast jeder sein.«

    »Du solltest morgen noch mal zu ihm gehen und ihn fragen, wer es ist, der da kommt.«
    »Ich habe ihn schon gefragt; er will aber einfach nicht raus mit der Sprache. Im Porzellangeschäft ist immer alles geheim. Selbst seinem Schwiegersohn scheint er nicht restlos über den Weg zu trauen.«
    Klatsch! Mit voller Wucht hatte sich Friederike auf den Unterarm geschlagen, um eine Mücke zu erlegen, die sich dort niedergelassen hatte. Josefine zuckte vor Schreck zusammen.
    »Du könntest die Flucht nach vorn ergreifen und Benckgraff beichten, dass du eine Frau bist. Damit würdest du ihn schonend darauf vorbereiten, dass es möglicherweise Probleme mit dem Meißener Kollegen gibt.«
    »Auf keinen Fall!«
    »Aber er mag dich doch! Du bist einer seiner besten Mitarbeiter. Er wird zu dir stehen.«
    Josefine nahm die leeren Schüsseln mit in die Küche und kam mit der Kaffeemühle in der Hand wieder heraus.
    »Ich bin mir bei Benckgraff nicht sicher. Ich bin mir bei niemandem sicher.«
    »Und wenn du dich Simon Feilner oder Johannes Zeschinger anvertrauen würdest?«
    Der Geruch von frisch gemahlenen Kaffeebohnen stieg den beiden Freundinnen in die Nase. Auch Semiramis schnüffelte interessiert und sprang in einem eleganten Bogen direkt von der Mauer in Friederikes Schoß.
    »Was würde das bringen? Ich bin mir auch bei Johannes und Feilner nicht sicher, ob ich ihnen wirklich vertrauen kann. Johannes ist und bleibt der Schwiegersohn des Alten, und Feilner ist einfach noch nicht lange genug da, als dass ich ihn richtig einschätzen könnte. Sie scheinen mich zwar beide zu mögen und meine Fähigkeiten anzuerkennen, aber natürlich bin ich für sie auch Konkurrenz - das ist einfach so.«

    »Sie könnten bei Benckgraff doch ein gutes Wort für dich einlegen!«
    Josefine ging in die Küche, um Kaffee aufzusetzen.
    Nachdenklich blieb Friederike in der brütenden Hitze sitzen. Es dämmerte bereits und war noch kein bisschen frischer geworden. Hoch über ihr flog ein großer Vogel. Das musste einer der Störche sein, die auf dem Turm der Justinuskiche nisteten. Er streckte die Füße schon ein wenig nach vorne, als wollte er gleich landen. Im Kopf verwarf sie sämtliche Vorschläge, die Josefine ihr unterbreitet hatte und die ihr selbst schon durch den Sinn gegangen waren. Sie würde einfach abwarten, was passierte. Die Sache auf sich zukommen lassen. Im schlimmsten Fall musste sie weg aus Höchst. Aber was, wenn sich die Angelegenheit in den anderen Manufakturen herumsprechen und ihr vielleicht nirgendwo mehr jemand Arbeit anbieten würde? Da fiel ihr plötzlich Jan van Alphen wieder ein. Hatte er nicht gesagt, dass in China europäische Porzellanmaler gesucht würden? Dort würde niemand wissen, dass sie eine Frau war.
    Josefine stellte ein kleines, dampfendes Tässchen vor ihr auf den Tisch. Ihre Geschirrkultur hatte sich in den letzten Monaten merklich verfeinert. Für die geleisteten Überstunden hatte Friederike zwei Kaffeetassen mit nach Hause nehmen dürfen, die sie mit zierlichen ochsenblutfarbenen Drachen bemalt hatte.
    »Wenn es ganz schlimm kommt, gehe ich eben nach China.«
    Ihre Laune hatte sich schlagartig gebessert, nachdem ihr diese Alternative wieder eingefallen war.
    Josefine ließ sich Zeit mit der Antwort. Nachdenklich rührte sie zwei gehäufte Löffel Zucker in ihre Tasse, um den Mokka schließlich in mehreren kleinen Schlucken auszutrinken. Sie stellte das Tässchen zurück auf die Untertasse und hob den Blick. Schalk und Feierlichkeit mischten sich in ihrem Ausdruck.
    »Weißt du was?«, verkündete sie langsam. »Dann komm ich mit.«

    Die Tür zum Flur, von dem aus man Zugang zur Brennerstube hatte, ließen sie nun immer offen stehen. Friederike hatte ihren Arbeitstisch so gerückt, dass sie die Brenner direkt im Blick hatte. Die Hitzewelle hielt jetzt schon über zwei Wochen an, und durch die offene Tür drang zusätzliche Wärme vom Ofen herein. Es nützte auch nichts, dass sie das Fenster geöffnet hielten. Kein Windhauch zeigte Erbarmen mit ihnen. Heute war es besonders schwül und drückend. Sie stöhnte leise. Bestimmt würde es am Abend ein Gewitter geben. Ihre Hände waren so glitschig, dass ihr manchmal fast die Porzellanteile aus der Hand rutschten. Die Kleidung klebte ihr am Leib. Der Lehrjunge, der beauftragt war, die Farben anzumischen, starrte einfach nur aus dem offenen

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